Ja, stimmt: Wir sind kein typisches „Autofahrerehepaar“! Schon seit ewigen Zeiten gilt bei uns der Grundsatz: Könnte die Wegfindung schwierig werden, also ist da so ein eventuelles Risiko, dass wir nicht dort ankommen könnten, wo wir hin wollen, dann muss Kathrin auf den Beifahrersitz und an die navigatorischen Hilfsmittel – sei es die ganz altmodische Landkarte, der Kompass, das Navi (mit dem meine Frau in ständiger Konkurrenz lebt, aber davon später mehr!) oder der Sonnenstand. Das kann sie eindeutig besser als ich, da ist sie Expertin, das ist ihr Ding! Schon als fernwehkrankes Kind hat Kathrin viel Zeit mit dem Finger auf Landkarten verbracht, sogar als Lektüre auf dem Klo, und auch jetzt noch sitzt sie manchmal einfach nur so mit einer Landkarte in der Hand und studiert. Das ist gut für uns. Bereits in der „Vornavizeit“ haben wir uns äußerst selten verfahren und wenn wir mal umdrehen mussten, dann war das häufig meine Schuld, weil ich einfach zu verträumt vor mich hingefahren bin und die akuraten Hinweise meiner geschätzten Partnerin nicht zügig genug umgesetzt habe.
Es gibt ja sonst alle möglichen Vorlieben und Techniken, was die Navigation beim Autofahren angeht. Ein Freund von uns – und ich nehme mal an, mit dem Problem ist er nicht alleine! – hatte eine Partnerin, die sich aus Schlauheit, aus Erfahrung oder um das gemeinsame Zusammenleben nicht zu gefährden strikt weigerte, eine Karte auch nur in die Hand zu nehmen bzw. etwas zum Thema Navigation beizutragen. Also sieht er sich vor Fahrtantritt – auch noch heute! – die zu fahrende Etappe auf der Karte an und lernt die Strecke sozusagen auswendig, indem er sich alle wichtigen Abbiege- und Knotenpunkte einprägt. Damit kommt er gut klar, ein Navi hat er zwar, braucht es aber nicht wirklich. Das hält geistig fit und die Kollegen Alzheimer und Demenz werden es bei ihm schwer haben Ansatzpunkte zu finden.
Das strikte Gegenteil haben wir mit Johann kennengelernt. Als wir auf dem gemeinsamen Stellplatz ankommen, hat Kathrin noch die Karte in der Hand und sein begeisterter Ausruf: „Ah, Experten! Eine Papierkarte!“ hinterlässt bei uns ein Fragezeichen – will er uns veräppeln? Aber nein: Mit 25 Jahren ein Kind der heutigen medialen Wunderwelt braucht er nur sein Smartphone und nichts anderes – denkt er! – und fährt mit seinem Allrad-Iveco nach Georgien und Armenien. Mit den entsprechenden Apps klappt das zu Anfang auch ganz gut, bis er eines Tages auf einem schönen Stellplatz in den Bergen steht, zu den Gipfeln blickt, eine Piste sieht, die auf einen Berg führt und sich sagt: „Da fahre ich rauf!“ Klappt auch, er steht oben und will nun wieder runter. Was er nicht bedacht hat: In den Bergen Georgiens kann es schon einmal vorkommen, dass der Empfang nicht immer so ist, wie man es sich erhofft oder brauchen könnte. Zum Glück hilft ihm ein Schäfer als Navigationshilfe wieder vom Berg runter. Also lernt er dazu und als ihn in Armenien das nächste Mal der Übermut überkommt und er wieder über kaum noch erkennbare Pisten auf einen Berg fährt, hat er sein Smartphone und vor allem dessen Empfangsqualität ständig im Auge. Dann kommt er glücklich oben an, macht ein Foto und dabei rutscht ihm das Gerät aus der Hand, landet mit dem Display auf einem größeren und leider spitzen Stein und weg ist die Navigation. Dieses Mal ist auch keine andere Seele außer ihm da oben und so braucht er Stunden, bis er schließlich irgendwann in der Dunkelheit unten ankommt. Die Displayreparatur ist fast so teuer wie ein neues Handy und er schwört sich, nie wieder ohne Landkarte auf Reisen zu gehen.
Dann wären da noch die Fernreisenden, die ganz auf Nummer sicher gehen wollen. Sie haben ständig zwei Navis gleichzeitig in Betrieb (echt!) und vergleichen die Streckenführung – besonders im Navigationsbetrieb und nach dem Motto: „Was das eine Navi nicht weiß, kennt bestimmt das andere!“ Selbstverständlich sind außerdem als Backup auch noch die entsprechenden Landkarten in verschiedenen Maßstäben an Bord – zur Übersicht und zur Detailplanung!
Aber zurück zu meiner Navigationsexpertin: Kathrin steht in ständiger Kommunikation oder besser in ständigem Wettbewerb mit unserem Navi. Angenommen, jemand war so nett und hat uns die Koordinaten zu einem traumhaften Stellplatz verraten. Die geben wir ins Navi ein, die Automatenfrauenstimme beginnt mit ihren Anweisungen, dann folgt meine Frau sofort mit Argusaugen der vorgeschlagenen Streckenführung. Drei Szenarien sind nun möglich:
Szenario 1 kommt am häufigsten vor. Kathrin meldet sich nach wenigen Minuten mit den Worten: „Ich weiß schon, welche Strecke sie vorschlägt, das ist doch Quatsch!“ Dann folgt die Begründung für ihr vernichtendes Urteil – meist ein unnötiger Umweg, ein Links-Rechts-Gegurke durch kleinste Wohnstraßen einer Stadt, weil diese Strecke 3,57 m kürzer ist als der Hauptverkehrsweg oder eine Straße, die trotz angeblicher Berücksichtigung der Fahrzeugmaße nicht gerade für Exe empfehlenswert erscheint. Kurz und knapp: Kathrin hat Recht, ich folge ihren Anweisungen und tue auch gut daran!
Szenario 2 beginnt zwar mit dem gleichen Satz, allerdings kommt dann eine Anmerkung, die mich aufhorchen lässt, da sie schon des öfteren zu kleinen Abenteuern geführt hat: „Da gibt es doch eine tolle Abkürzung!“ Ja, kann sein, da hat sie auch oft mit Recht gehabt. Ich kann mich aber auch an Situationen erinnern, die doch pulstechnisch schnell eher anregend waren! Entsprechend zurückhaltend reagiere ich auf diese Angebote und immer öfter nimmt meine Frau auch auf mein inzwischen fortgeschrittenes Alter Rücksicht.
Szenario 3 kommt am seltensten vor – Navi und Kathrin sind komplett einer Meinung! Solche Momente der völligen Harmonie an Bord machen dann häufig mich schon wieder nervös – da kann doch irgendwas nicht stimmen!?
Letztendlich gibt es bei uns das folgende Grundgesetz: Mensch vor Maschine! Wenn die Automatenfrauenstimme sagt „In 300 m links abbiegen!“, so warte ich auf die Bestätigung durch meine Expertin. Erfolgt deren Freigabe nicht, fahre ich geradeaus, so ist das bei uns! Interessant sind allerdings immer die Infos, die man ohne Navi gar nicht bekommen würde. Schaut z. B. einmal auf das Titelbild dieses Beitrags – diese Streckenführung innerhalb eines Tunnels in Norwegen hätten wir sonst nie mitbekommen!