Atlantik und Perigord

Über die N 171 geht es nach St. Nazaire und weiter über die Loire auf der sehr eindrucksvollen „Pont Routier“ nach Fromentine. Hier geht es dann über die Pointe de la Fosse hinüber auf die Ile de Noirmoutier, die man übrigens auch bei Ebbe direkt erreichen kann, aber es ist wie verhext: Normalerweise ist, wenn wir ans Meer kommen, immer Ebbe! Wenn man es aber mal brauchen kann, dann ist natürlich gerade Flut! So fahren wir „völlig abenteuerlos“ zum kaum besetzten Stellplatz und machen meinem Rücken zuliebe einen ausführlichen Strand- und Ortsspaziergang. Hier sind die Bürgersteige bereits hochgeklappt, die Saison ist definitiv zu Ende und Brot gibt es nur noch im Campingladen des benachbarten Platzes. Ist uns egal, wenn die Restaurants zu sind: Heute gibt es bei uns Limandes méunière auf Tomaten – Zwiebelbett, dazu klassisch Baguette und einen Chardonnay unserer Freunde von der Mosel. Ein kleines Stück Baguette halten wir noch für eine „Mini – Käseplatte“ zurück – Herz, was willst du mehr?

Morgens schleiche ich zum Campingladen und hole Baguette und Croissants, dabei habe ich Glück, denn kurz darauf beginnt ein nicht zu schlechter Dauerregen, der den ganzen Tag über anhält. Nach dem Frühstück geht es bis Fromentine zurück, dann wenden wir uns gen Süden, umfahren La Rochelle und Rochfort und nähern uns über Saintes unserem heutigen Ziel, das da heißt „Cognac“! Ich stelle mir das so vor: Flussnahen Stellplatz beziehen, dann ein Etablissement besuchen, in dem man verschiedene der edlen Stöffchen verkosten kann und dann ein oder zwei Fläschchen bitten, gegen Zahlung einer nicht zu hohen Gage an Bord zu kommen, um uns in nächster Zeit zu erfreuen. Also… soweit meine Vorstellung, nun zur leider (teilweise) nicht so erfreulichen Wirklichkeit: Wir müssen zum Stellplatz mitten in die Stadt, auf teilweise rekordmäßig kleinen Sträßchen nähern wir uns dem Stellplatz. Das macht uns zwar nicht so viel aus (wenigstens unsere Exe ist ja schön schlank!), aber kurz vor dem Ziel kommen uns ein paar Integrierte entgegen, die Fahrer mit panikartig aufgerissenen Augen und alle machen das Gleiche – sie halten und lassen uns dann an ihnen vorbei zirkeln, einer muss die Arbeit ja machen! Dann stehen wir auf dem Platz: Bis zu sechs Autos soll er fassen, ungefähr 15 stehen dort, alle umrahmt und zugeparkt von PKWs, denn die dürfen hier im Gegensatz zu den Mobilen umsonst stehen. Das wird schon einmal nichts, bloß weg hier! Wir kämpfen uns wieder mitten durch die City und an der Fußgängerzone vorbei raus aus der Stadt. Das Internet teilt uns mit, dass es hier sowieso nicht ein einziges „Maison du Cognac“ gibt, also fahren wir ein paar Kilometer weiter aufs Land, nach Bourg-Charente und landen ein paar Minuten später auf dem „Camping Bourg-Charente“. Eigentlich wollen wir gar nicht auf einen Campingplatz, die ungenaue Beschreibung eines Waldparkplatzes bei Camp-4-Night hat uns hierhin geführt. Aber der kleine Platz liegt idyllisch an der Charente, im Dorf ist nix los und ein Womo-Stellplatz kostet inklusive Strom 7,50 €. Das Betreiberpaar ist sowas von nett und hilfsbereit und obgleich gerade einmal fünf Autos hier stehen, kommt morgens die Bäckerin vorbei – was will man mehr? Mein Wunsch nach einer Cognac-Verkostung erleidet aber einen herben und endgültigen Rückschlag, denn auch das Betreiberpaar kennt kein Etablissement, das vergleichende Verkostungen anbietet. Die hier ansässigen Großbetriebe (Hennessy, Courvoisier etc.) bieten so etwas nur als „Event“ und mit Voranmeldung an, also mit Bootsfahrt, Kellerbesichtigung, Imbiss…. Und nicht unter 50 € pro Person. Das ist es definitiv nicht, was ich wollte und da meine Kathrin sowieso kein Cognacfan ist, streiche ich das ganze Vorhaben einfach von meiner persönlichen „To do-Liste“!

Trotzdem – es ist hier so nett, ruhig und idyllisch, dass wir noch einen Tag dran hängen. Da mein Rücken noch keine großen Fortschritte macht und das Wetter nicht allzu schlecht ist, machen wir heute eine „Heilwanderung“ entlang der Charente bis nach Sainte Brice. Hier queren wir die Charente über eine alte Steinbrücke, machen eine kleine Pause am Schlosspark und wandern dann auf der anderen  Seite wieder zurück. Das stellt sich allerdings als nicht ganz so leicht heraus, denn seit der letzten Google-Map Auffrischung hat man sich erdreistet, einfach einen Golfplatz in die Landschaft zu bauen – der eingezeichnete Weg ist futsch! Also suchen wir uns selbst einen Weg drum rum – nach dem Dauerregen gestern nicht ganz so einfach ohne Schwimmflügel und Rettungsboot – will sagen, es ist ganz schön feucht! Über Feldwege zu und von den Weinbergen und durch den angrenzenden Uferwald schaffen wir es jedoch irgendwann nach 3 ½ Stunden wieder in Bourg-Charente anzukommen. Dort stellen wir fest, dass das dortige Schloss mit seinen ziemlich großen Fabrikations- und Kelleranlagen, was übrigens auch innerorts den einen oder anderen Umwegsschlenker erfordert, nicht ganz unbekannt ist: „Grand Manier“ prangt mit güldenen Lettern am prunkvollen (oder besser protzigen?) Eingang! Na gut, auch hier kein Shop und nix zu kosten, also begeben wir uns brav nach Hause. Abends setzt Kathrin mit unserer neuen Joghurt“maschine“ (die eigentlich gar keine ist, sondern eher so etwas wie eine Warmhaltebox der besonderen Art ohne Strom) neuen Joghurt an, denn (wie schon im Blog zur Langzeittour vermerkt) in Frankreich gibt es den „Stoff“ nur in homöopathischen Dosen und wir brauchen es „literweise“ zum Frühstück, um unser Obst darin zu baden!

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Die Charente

Nach dem Frühstück mit frischem Baguette und ebensolchen Croissants geht es auf der D10 nach Château-s-Charente, dann auf der D 22 und D 5 südlich um Angoulême herum und weiter auf der D 939 über Berantôme nach Perigeux. Über die N 221 und D 6089 geht es schließlich bis kurz vor La Bachellerie nach Thenon und dann auf der D 67 nach Montignac und auf den dortigen, leider in Straßennähe liegenden neuen Stellplatz. Der kostet ungelogen (so etwas sollte es mal in Deutschland geben!) günstige 6 € inklusive Strom, Frisch- und Abwasser. Wir stellen uns so straßenfern wie es geht (ist aber gar nicht so schlimm mit dem Verkehr, wie sich später herausstellt) und warten nun ab, dass der Regen endlich einmal eine Pause einlegt. Immerhin schaffen wir noch eine kleine Stadtbesichtigung – der Ort ist wirklich niedlich, damit hatten wir gar nicht gerechnet, denn der Grund für unseren Besuch ist ein ganz anderer: Hier befindet sich die berühmte Höhle von Lascaux, das ist die mit ihren sensationellen Tierzeichnungen aus der Steinzeit. Sie wurde erst in den frühen 40-er Jahren des letzten Jahrhunderts entdeckt und 1963 schon wieder für die Öffentlichkeit geschlossen, da das Licht, die von außen eindringende Atmosphäre und die Ausdünstungen der vielen Besucher die Farbe der Bilder angriffen und zerstörten. Daraufhin hat man 200 m daneben die Höhle originalgetreu nachgebaut und die Zeichnungen mit den Originalpigmentfarben 1:1 kopiert. Diesen Nachbau kann man nun seit 1983 besichtigen und das haben wir bisher leider noch nicht geschafft – soll nun aber nachgeholt werden.

Im Reiseführer steht, dass man vom Stellplatz knapp 20 Minuten bis zur Höhle läuft. Da ich die Tickets für die geführte Tour bereits online beschafft habe, könnten wir ja nun leicht ausrechnen, wann wir los müssen. Zum Glück befragen wir aber auch noch einmal Google Maps und dort steht, dass es bis zur Höhle „Lascaux II“ doppelt so lange dauert, die 20 Minuten gelten für „Lascaux IV“. Wie jetzt? Gibt es etwa inzwischen vier Höhlen? Aber nein, die Internetlektüre (gar nicht so einfach bei nur einem „Balken“) ergibt, dass „Lascaux IV“ ein neuer, noch tollerer Nachbau ist – einer mit Multimedia, 3D-Animation usw. – und sich im neu erbauten Center inklusive Museum befindet. Natürlich kostet der Besuch dort noch einmal und das nicht zu knapp, nämlich 24 € im Gegensatz zu den 12 € für den „altmodischen“ Nachbau, den wir gebucht haben. Wir haben keine Lust auf Multimedia, Stöpsel in den Ohren, Kästchen vorm Bauch und 3D-Brille auf der Nase, wir wollen eine altmodische Führung, die ein wenig erahnen lässt, wie das damals so war. So starten wir also entsprechend früher, stellen fest, dass auch die Franzosen ihren Gästen keine großen Fußmärsche zutrauen, denn hinter dem neuen Center ist Schluss mit Bürgersteig und wir laufen von da an bergauf immer an der Landstraße entlang. Stolz stellen wir fest, dass wir noch immer fitter sind als die Angaben bei Google vorgeben – wir brauchen nicht 40, sondern nur 30 Minuten – ha, ha!! Dann warten wir noch ein wenig auf unsere englischsprachige Führung (deutsch gibt’s nicht mehr – Saisonende – und die ganzen Fachausdrücke auf Französisch?) und danach staunen wir eine gute Stunde lang. Ja, es ist ein Nachbau, aber: In den 35 Jahren seit der Eröffnung hat sich genug Patina gebildet, so dass wirklich alles echt wirkt. Die Führung ist gut gemacht, es gibt nur wenig Licht und nach einigen Minuten muss man sich tatsächlich immer wieder daran erinnern, dass man nicht im Original, sondern in einem Nachbau steht! Wir sind jedenfalls zufrieden. Auf dem Rückweg statten wir dem imposanten Neubau einen Besuch ab: Ein ziemlich großes Gebäude, zu zwei Dritteln in den Berg hinein gebaut – und drinnen? „Alles groß, aber nix los“ könnte man sagen, aber wir wissen natürlich nicht, wie das in der Saison aussieht. Insgesamt vermuten wir aber, dass Lascaux II wahrscheinlich sehr bald dicht gemacht wird und die gesamten Besucherströme dann durch Lascaux IV geschleust werden sollen. Die großen Parkplätze (sogar ein großer Tagesparkplatz nur für  Wohnmobile) liegen alle unten. Oben bei Lascaux II gibt es nur einen kleinen Platz und der gesamte Servicebereich ist seit 1983 nicht verändert worden.

Wieder am Auto und nachdem wir auf dem Rückweg für heute Abend in einem netten Restaurant am Fluss reserviert haben, heitert es zunehmend auf und wir setzen uns raus. Nach einigen Minuten kommen unsere französischen Nachbarn hinzu und nun wird es „gnadenlos“, denn keiner der Beiden kann auch nur ein Wort Englisch oder Deutsch oder irgendeine andere Fremdsprache, keiner der Beiden hat auch nur vor, Frankreich einmal reisetechnisch zu verlassen (es war das erste Mal, dass jemand nicht wusste, wo Hamburg liegt, als wir versucht haben zu erklären, wo wir wohnen, selbst Berlin als Hauptstadt Deutschlands war unbekannt!). Aber Beide brennen darauf, sich mit Fremden zu unterhalten und auszutauschen – aber die können ja alle kein Französisch! Unser Gestotter wird jedoch für gut genug befunden und so entwickelt sich ein dreistündiges – nennen wir es mal „Gespräch“ – über Umweltschutz, den Dieselskandal, die immer häufiger überlasteten Stellplätze, die zunehmende Unfreundlichkeit unter den Mobilisten, aber z.B. auch über tolle Reiseziele in der Natur und so nehmen wir vor allem zwei Tipps zu Naturreservaten, die auf unserer Strecke nach Süden liegen, mit. Danach brummt uns der Kopf und wir genießen den ruhigen Abend im Restaurant am Fluss draußen sitzend umso mehr.

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Montignac

Nun geht es wieder ans Meer. Über Lalinde und Bergerac geht es zur autobahnähnlichen N 89 und nördlich um Bordeaux über die Garonne. An der Abfahrt 7 geht es auf der D 1215 bis St. Hélène und auf der D 6 schließlich nach Le Huga, dem Vorort von Lacanau-Océan. Hier, direkt am Radweg zum Strand, liegt der Stellplatz. In den letzten Tagen haben wir bereits gemerkt, dass die Plätze langsam leerer werden. Scheinbar neigt sich die Saison doch langsam kräftig dem Ende entgegen – uns soll das nur recht sein und wir nehmen uns ein abgelegenes Superplätzchen! Zu Fuß laufen wir die 2,5 km nach Lacanau-Océan, setzen uns auf eine Bank mit Blick auf den gewaltigen Strand und auf eine Brandung, die diesen Namen auch wirklich verdient. Hier ist noch richtig was los, etliche Cafés, Restaurants und Buden sind noch offen, als ein unwiderstehlicher Duft zu uns herüber weht: Es gibt Churros! Wir sehen uns an und können nicht widerstehen. Kathrin läuft los und holt uns eine Portion! Das Ausrufungszeichen steht deshalb da, weil wir uns diese eine (!) Portion teilen und danach so gut wie satt sind…aber lecker war’s!!!

Am nächsten Morgen versuche ich wieder einmal verzweifelt Brot zu kaufen – die Saison ist wirklich definitiv vorbei – die Tafeln mit „Pain“ stehen zwar noch am Straßenrand, die Geschäfte sind aber alle geschlossen! Dann fängt es auch noch an zu nieseln, obwohl laut Internet eigentlich Superwetter sein soll. Nicht entmutigen lassen – also mache ich die Räder im Regen klar, die mussten schon lange wieder einmal sauber gemacht werden. Gegen Mittag ist es dann doch so trocken, dass wir los können. Wir fahren zuerst nach Lacanau-Océan und dann nach Norden durch schönen Pinienwald, immer in „sicherem“ Abstand zum Meer: Man hört es, sieht es aber nicht! Über Carcans geht es 32 km nach Hourtin-Plage. Wir können überall zusehen, wie gerade die Bürgersteige hochgeklappt werden. Nach einer Pause auf einer Bank oben auf der Steilküste mit einem Wahnsinnsblick auf die Brandung und den gewaltigen Strand fahren wir hinüber nach Contant zum Binnensee und dort entlang nach Piqueyrot, wo wir an einer kleinen Brasserie am See unsere Flüssigkeitsvorräte auffüllen.

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Hourtin-Plage

Danach geht es zuerst noch ein kleines Stück auf guter Strecke durch den Fôret d’Hourtin weiter, aber dann: Ein Hinweisschild lotst uns auf eine Forststraße, die zuerst trotz wohl sehr intensiver Waldarbeiten, die hier vor nicht allzu langer Zeit stattgefunden haben müssen, gerade noch einigermaßen befahrbar ist. Plötzlich taucht ein Schild auf, das besagt, dass die weitere Benutzung für Fahrräder untersagt ist wegen „desolatem Zustand“ und dann steht da noch „Gefahr!“ (natürlich auf Französisch!). Was nun? Eine Alternative wird nicht genannt, umdrehen und die schlechte Straße wieder zurück? Nie! Und so schlecht sieht der Weg doch gar nicht aus, also weiter! Wie sagte doch schon ein gewisser Honecker: „Vorwärts immer, rückwärts nimmer!“ Wir Dussel!!! Jetzt wissen wir: Wenn der Franzose so etwas schreibt wie „Kaputt – nicht fahren!“, dann ist das auch so und dann meint der das auch genau so! Wir fahren, schieben und tragen die Räder (Oha, E-Bikes sind schwer!!) rund 15 Kilometer auf 20 cm breiten Betonstreifen, durch Tiefsandpassagen, tiefe Löcher, weggebrochene Platten – und das alles fast komplett zugewachsen! Wir machen drei Kreuze (und das als Atheisten), als wir endlich wieder in Kontakt mit der Zivilisation treten – ist glatter Asphalt nicht eine tolle Erfindung? Gas geben, nur noch kurz halten und ein Baguette in die Radtasche werfen, und dann sind wir nach 70 km, für die wir unglaubliche 5 ½ Stunden Fahrzeit gebraucht haben, wieder zurück. Stühle raus, für jeden von uns ein groooßes Bier und dann ist alles wieder gut.

Nach einer „wunderbar erholsamen Nacht“ sitzen wir etwas „gerädert“ (ha, ha – ein Wortspiel!) am Frühstückstisch: Die körperlichen Folgen des gestrigen Ausflugs, verbunden mit einem kräftigen Husten meinerseits und einer feierwütigen „Techno-Party-Feten-Gesellschaft“ bis morgens um 4 Uhr kaum 20 m Luftlinie von unserem Stellplatz entfernt (wer rechnet schon mit einer derartigen „Orgie“ in der Nacht von Montag auf Dienstag?) haben dafür gesorgt, dass wir im Moment mit dem Wort „Erholung“ nicht viel anfangen können. Aber egal, es geht weiter: Wir fahren über Le Porge und Cap Ferret nach Arès und dort von Badeort zu Badeort, von Kreisverkehr zu Kreisverkehr (mich würde interessieren, ob französische Autos besondere Abnutzungserscheinungen an Reifen, Stoßdämpfern und Federung auf der rechten Fahrzeugseite aufweisen) und von Speedbreaker zu Speedbreaker um Arcachon herum und halten kurz hinter der berühmten Düne von Pilat auf dem Stellplatz von Biscarosse-Plage. Laut Anweisung fahre ich mit der Motorhaube bis an die Schranke, die den Eingang zum Stellplatz freigeben soll, drücke auf den Knopf für das Ticket und….nichts passiert! Also aussteigen und gucken – ergibt auch nix! Knopf drücken und eine nette Stimme fragt nach meinem Begehr. Nach meiner Schilderung meint die gute Stimme, ich solle noch dichter an die Schranke heran fahren. Ich stimme zu, weise aber darauf hin, dass das nicht meine Schranke ist und er eventuell mit den Folgen klar kommen müsste. Das gibt ihm scheinbar zu denken, denn ich sitze noch nicht im Auto, da geht die Schranke auf, allerdings ohne uns ein Ticket zu spendieren. Egal erstmal, wir sind drin. Wir suchen uns ein schönes Plätzchen, davon gibt es hier genug, und schauen uns den tollen Strand an – dann holt meine Kathrin ein wenig vom versäumten Nachtschlaf nach und damit ich sie nicht dabei wieder mit meiner Husterei störe, schreibe ich derweil draußen in der warmen Sonne am Blog. Gegen Abend laufe ich noch einmal nach vorn zum Sprachknopf. Dieses Mal ist es eine nette weibliche Stimme, die mich fragt, was ich möchte. „Ein Ticket“ antworte ich und erkläre, wieso wir das nicht bekommen haben. Ich muss mich einen Moment gedulden, dann erklärt sie mir, dass heute Mittag wohl mehrere Leute Probleme mit dem Automaten hatten und schon kommt ein hübsches Ticket aus dem Ausgabeschlitz!

Den nächsten Tag verbringen wir mit einem ausführlichen Strandspaziergang, Fotos sortieren und Blog veröffentlichen. Schließlich wollen wir einen Tag später weiter und ich stecke das Ticket am Bezahlautomaten in den dafür vorgesehenen Schlitz und was passiert? Eine nette Stimme bedankt sich dafür, dass wir hier waren und die Schranke öffnet sich!? He, das nenne ich Service! Für das bisschen Ärger gleich für zwei Tage umsonst stehen? Danke! Heute geht es weiter zu dem ersten von zwei Naturtipps der netten Franzosen, die wir in Montignac kennengelernt hatten. Wir fahren über Parentis-en-Born und Labouheyre nach Morcenx und landen gegen Mittag schließlich am nagelneuen Besucherparkplatz des Infozentrums der „Réserve de chasse d‘ Arjuzanx“, einem ehemaligen und jetzt renaturierten Kohletagebau. Hier machen die Kraniche auf ihrem Vogelflug Pause und fressen sich auf den umliegenden Maisfeldern mit den nach der Ernte übriggebliebenen Körnern einen Energievorrat für den Weiterflug an. Laut Infobroschüre sind jetzt auch schon einige Tiere da, laut Auskunft im Infozentrum nicht – schade! Wir laufen trotzdem einmal um den See und genießen die Natur – an Tieren gibt es allerdings kaum etwas zu sehen, da sind die zwei Gottesanbeterinnen auf dem Wanderweg schon das Highlight! Zum Trost macht Kathrin heute Schinkenpizza aus frischem Teig und mit Jalapeños – was würden wir ohne unseren Backofen tun?

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Gottesanbeterin auf dem Wanderweg

Nun geht es wieder zurück an die Küste. Über die Schnellstraße umgehen wir Dax nördlich, dann geht es auf der D 810 nach Ondres-Plage. Einige Orte brauchen bei der Durchfahrt etwas Geduld, ansonsten eine relativ kurze und ruhige Fahrt. Der Stellplatz ist niegelnagelneu (am Eingang liegen die noch einzupflanzenden Bäume in Töpfen und warten auf ihre neue Heimat!) und bei unserer Ankunft fast leer. Wir erkunden relativ zügig den Strand (es nieselt immer wieder mal) und entdecken dabei zwei durchgängig (!) geöffnete Restaurants – das ist in Frankreich wirklich extrem selten! Am nächsten Tag fahren wir mit den Rädern zum „Observatoire de la Maison Béziers“, dem Infozentrum am „Marais d’Orx, dem zweiten Tipp unserer Franzosen. Leider hat das Infozentrum gerade heute „außerplanmäßig geschlossen“. Wir stellen also dort nur unsere Räder ab und laufen auf dem „Circuit Découvèrte“, einem Rundweg mit vielen geschützten Beobachtungshütten, die auch mit einer Reihe von Naturfreunden besetzt sind, die mit Fernrohr und Teleobjektiv auf Vogeljagd sind. Tatsächlich ist die Tier- und besonders die Vogelwelt hier um einiges vielfältiger als am renaturierten Tagebau – eigentlich auch logisch, das Marais (oder der oder die?) ist schließlich ein altes Feuchtgebiet. Die Hauptattraktion ist hier der weiße Löffler, aber wir sehen auch Grau- und Seidenreiher, den Großen Brachvogel, Nutrias, Schildkröten, Teichhühner und eine ganze Reihe von Entenarten. Will man allerdings den See ganz umrunden, so muss man leider die zweite Hälfte an der Straße entlang – bei lebhaftem Wochenendverkehr kein Genuss! Nach 20 km sind wir wieder zurück – der Platz hat sich zwar wochenendtypisch gefüllt, mehr als halbvoll ist er trotzdem nicht.

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Scildkröten am Marais d’Orx

Heute geht es nach Spanien. Um dem ganzen Städtewirrwarr zu entgehen, setzen wir uns deshalb ausnahmsweise einmal für eine längere Zeit auf die Autobahn. Es geht über die Grenze und weiter bis zur Abfahrt 455 (relativ teuer, das kleine Stück!) und auf der Karte sieht es so aus, als könne man von hier aus direkt auf die N 634 gelangen, die entlang der Küste führt. Wow, völlig „verdacht“. Es dauert ewig und wir müssen einmal komplett durch Lasarte-Oria (inklusive Wohngebiet!) und biegen schließlich vor lauter Freude, als wir endlich die Auffahrt zur N 634 erreichen, auch noch falsch ab. Irgendwann haben wir es dann doch gepackt und es geht inklusive Tankstopp (in Spanien ist der Diesel rund 15 Cent günstiger als in Frankreich!) über Deba bis Ondorra. Überall viel Leben trotz des nicht optimalen Wetters (grau in grau, später auch Regen), wir sehen sehr viele Strandspaziergänger. Von hier aus geht es auf kleineren und noch kleineren Straßen fast immer an der Küste entlang über Lehitio und Arteaga nach Gerika-Lumo und von dort über Bermeo nach Bakio, unserem heutigen Tagesziel.

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Kurz vor Bakio

Die „Wochenendabreisewelle“ hat gerade erst begonnen, der einzige lange und damit für uns günstige Platz (wir sind einfach zu faul zum Abkuppeln des Hängers!) ist allerdings frei. Kaum sind wir da, beginnt es zu regnen und erst gegen 18 Uhr können wir einmal durch den quasi geschlossenen Touristenort spazieren – der hat eindeutig schon bessere Zeiten gesehen! Trost für mich: Es gibt hier endlich wieder einmal einen guten Rocksender im Radio!!