In Suwalki tanken wir erstmal günstigen polnischen Diesel, dann geht es weiter über Olecko (viel Tourismus) zur 59, auf der es nun immer nach Westen durch das nördliche Masuren geht. Nach einer erneuten 6 km langen Baustelle – dieses Mal allerdings etwas komfortabler, da neben der Straße an einer Autobahn gebaut wird…. Nun haben wir dafür die neue Autobahn, die uns bis rund 25 km vor Olsztyn bringt. Über kleine Straße bis hin zu schlechter Wellblechpiste geht es dann zum Camping Tumicuny am Jezioro Pisz. Wie schon so oft soll der Platz bis zum 31. Oktober geöffnet haben, ist aber so etwas von geschlossen…niemand da…. allerdings viele Ausflügler, die über das Gelände spazieren gehen, junge Leute, die eine Schnitzeljagd veranstalten… Schließlich entdeckt Kathrin doch noch eine Telefonnummer, die wir anrufen können und netterweise dürfen wir auf dem zum Camping gehörenden Parkplatz mit Seeblick umsonst übernachten. Nach einem Spaziergang dauert es allerdings unendlich lange, bis wir „endlich“ ein Bierchen trinken können, denn wir haben ja beim Grenzübertritt eine Stunde gewonnen!
Nun geht es weiter zur Nehrung am „frischen Haff“. Die Straße ist ähnlich abenteuerlich wie auf der Kurischen Nehrung, hinzu kommt dann aber noch der unglaubliche sonntägliche „Sightseeing-Verkehr“ zum Prestigeobjekt des polnischen Ministerpräsidenten: Der durchaus umstrittene Kanaldurchstich, um sich von der russischen Durchfahrt zum Haff unabhängig zu machen, denn Fachleute sind der Meinung, dass der Kanal für den üblichen Schiffsverkehr viel zu klein geplant wurde. Wir stehen uns über mehrere Kilometer an beidseitig geparkten PKW vorbei zum Kurort Krymica Morska. Hier ist zwar die Saison noch nicht beendet (zumindest am Wochenende!), Stellplätze gibt es aber nur noch am Campingplatz Gallus, der zum gleichnamigen Hotel gehört. Nach mehrmaligem Klopfen und Klingeln öffnet eine junge Frau ohne irgendwelche Fremdsprachenkenntnisse und sie ist auch nicht das, was man landläufig unter einer „hellen Leuchte“ versteht. Insgesamt dreimal schaut sie mich verzweifelt an, schließt die Tür, kommt nach zwei Minuten wieder, schaut wieder… Schließlich deutet sie mit dem Finger zum Campinggelände und anschließend auf die letzte der angeschlagenen Öffnungszeiten – na also, geht doch!
Nach einem „kleinen“ 7 km – Erkundungsspaziergang, bei dem wir auch nicht das pralle Touristenleben auf der Hauptstraße (Schlangen vor den Restaurants!) auslassen und schon einmal für morgen die Speisekarten studieren, haben wir für heute genug gesehen.
Bei der Anmeldung werde ich zum ersten Mal gebeten, nicht Englisch, sondern bitte Deutsch zu sprechen. Das bleibt von jetzt an auch so – man kommt ab hier besser mit Deutsch durch. Heute mache ich die Räder klar, denn es gibt von Krymica Moeska aus einen netten Radweg bis zur russischen Grenze und da für heute blauer Himmel angesagt ist, wollen wir den auch abfahren. Die Schotterpiste ist bei 20 km/h noch ohne zu viel Rüttelei gut zu fahren und führt fast die ganze Zeit über durch Kiefernwald. Das ist im Moment der einzige Nachteil, denn so haben wir nicht viel vom wärmenden Sonnenschein und es ist doch ziemlich frisch. Unterwegs schrecken wir noch eine Rotte Wildschweine auf, dann sind wir nach 18 km an der Grenze. Nix Aufregendes: Krise? Ein Maschendrahtzaun, zwei Durchgangsverbotsschilder und zwei Grenzbeamte im SUV, die sich gepflegt langweilen.
Nach ein paar Fotos fahren wir 2,5 km zurück und auf einer katastrophalen Panzerstraße hinüber über die hohe Düne zur Haffseite ins Dorf Piaski. Auch hier nichts Besonderes, also „hoppeln“ wir wieder wirbelsäulenschädigend auf gleicher Strecke zurück zum Radweg. Abends belohnen wir uns mit Heilbutt und Kabeljau – echt lecker!
Wir verlassen die Nehrung auf gleicher Strecke und sind bass erstaunt, dass am Kanaldurchstich nach dem Wochenende aber nun so gar nichts mehr los ist, also halten wir dort nochmal an und machen selbst ein paar Fotos.
Über die 91 geht es nun nach Danzig und auf der 468 haarscharf an der Altstadt vorbei zum Stellplatz am Sportzentrum. Wir haben Glück, denn bis morgen früh dürfen wir noch dort stehen, denn dann findet ein großes „Gathering“ statt und das gesamte Stellplatzgelände wird dafür gebraucht. Fünfzehn Minuten später sind wir bereits mit den Rädern unterwegs. Wieder auf sehr gutem Radweg geht es in knapp zehn Minuten bis zum Markt. Hier stellen wir die Räder ab und erkunden die wirklich sehr beeindruckende Altstadt zu Fuß. Zwar waren auch wir bereits in Danzig, das war allerdings gemeinsam im Jahr 1985. Ich war zwar noch einmal im Jahr 2000 hier, aber die Innenstadt hat seither noch einmal einen gewaltigen Sprung nach vorne gemacht – einfach toll! Auf dem Rückweg kaufen wir noch den halben Markt leer und haben so abends ein sehr leckeres Essen.
Weiter geht es nach Kolobrzeg (Kolberg), nachdem wir nachts doch mitbekommen durften, dass die nah am Platz vorbeiführende Eisenbahnstrecke gut genutzt wird und morgens ab 7 Uhr die Arbeiter bereits dabei sind, hinter unseren Mobilen die Gerüstteile und Bodenplatten für ein ziemlich großes Festzelt zurecht zu legen.
Unterschätzt haben wir die Zeit, die es braucht, um sich durch die „Dreistadt“ (Danzig, Zopot, Gdingen – ein Moloch!) zu wursteln – insbesondere, wenn überall gebaut wird und die Ausschilderung wunderbar irreführend ist: Baustellenschilder kündigen eine Straßensperrung an, sind aber alle sauber durchgestrichen. Man vermutet die Vorbereitung einer Maßnahme, bis man plötzlich vor der aufgewühlten Straße steht. Von nun an sorgt die Straßenführung (Einbahnstraßen, Links- oder Rechtsabbiegeverbot…) dafür, dass man ohne zu wollen plötzlich direkt an der berühmten Seebrücke von Zopot steht – mehr Innenstadt und Tourismus geht nicht, aber vielleicht möchte man ja auch nur zeigen, was man alles so hat? Nach einem Einkauf in Gdingen für ein Wiedersehensessen mit unseren Freunden kämpfen wir uns langsam aus diesem Wirrwarr heraus, dann geht es auf der 6 mit Stau an einem Unfall vorbei über Lebork und Slupsk nach Koszalin.
Nach einer etwas nervigen Durchquerung der Stadt beginnt dann auf den letzten Kilometern endlich die Autobahn nach Kolberg. Noch ein wenig Gekurve, dann stehen wir auf dem Camping Baltic, stadt- und strandnah. Hier ist noch nicht Schicht – Strandspaziergänger satt, die Tourismusmeile im Ort in reger Betriebsamkeit und alle Restaurants offen.
Wir suchen uns heute ein edleres aus, denn wir haben etwas Privates zu feiern. Sollen wir euch wieder einmal Appetit machen? Na gut: Kathrin hat Hirschrücken (sous vide!) mit Graupenrisotto, Steinpilzen und gebackener rote Bete, für mich gibt es nach einem geräucherten Tatar (unter einer Glashaube mit gefülltem Rauch serviert – sowas hatte ich bisher auch noch nicht!) ein leckeres Rinderfilet mit Pfeffersoße, Süßkartoffel Püree und Grillgemüse. Dazu dann leckeren Rotwein aus der Gascogne und hinterher Espresso…oder: Eine gelungene Feier!
Über das verblüffend hübsche Trzebiatow geht es auf der 103 nach Kamien Pormorski. War das schon nicht einfach, so wird es auf der S 3 richtig interessant. Nach wenigen Kilometern wird die Strecke nur noch zweispurig und wird von nun an bis Swienemünde zur „Baustellenbegleitstrecke“. Mit Tempo 60, manchmal auch 40, geht es also weiter. Kathrin hat bereits geplant, wo wir ein letztes Mal tanken und welche Fähre wir rüber in die Stadt nehmen wollen. Aber wie so oft kommt es anders. Die Streckenführung zur ausgesuchten günstigen Tankstelle ist vor lauter Baustelle und geänderten Streckenführungen nur mit Mühe und viel Sucherei zu finden. Dann landen wir zwar fehlerfrei bei der Fähre. Dort steht ein nettes Schild und weist darauf hin, dass hier keine Touristen mehr mitgenommen werden. Wenigstens ist der Weg zur zweiten Fähre ausgeschildert, wobei…“Weg“ ist etwas übertrieben: Eine alte Vorkriegspanzerstraße mit ordentlichen Verwerfungen und Abbrüchen führt uns mit maximal 30 km/h (mehr ist auch nicht erlaubt!) über rund 5 km hinüber. An der Einmündung zur Fährstraße (Kreuzung) dann ein weiterer Schock, denn man darf laut Schild nur geradeaus, also über die Straße hinweg, oder nach links, also weg von der Fähre, fahren. Das Ganze ist als Baustelle mit Baken gekennzeichnet. Was soll das? Man schickt uns extra auf dieser miesen Straße hierher und lässt uns dann nicht zur Fähre kommen? Die Schlange der wartenden Fahrzeuge reicht, wenn auch nur mit zehn Autos, über die Kreuzung hinaus. Also beschließen wir, uns nicht um das Schild zu kümmern, setzen den Blinker nach rechts und warten, bis uns jemand in die Schlange lässt. Das funktioniert auch wunderbar. Nach einer Minute hupt es wie wild und ein weißer Mercedes aus Berlin überholt uns auf der linken (LKW-) Spur und stellt sich schräg vor uns. Als ich die Scheibe nach unten kurbele und fragen will, was los ist, werden wir mit einem Schwall von Beschimpfungen und Flüchen bedacht. Zusammenfassung: Die darin sitzenden Senioren haben es genau wie wir gemacht, allerdings stand da plötzlich ein Polizeiwagen, hat sie auf das Schild aufmerksam gemacht und sie ganz nach hinten geschickt und wenn ihnen das widerfahren ist, dann sollen wir es nun nicht besser haben und uns gefälligst auch ganz hinten anstellen. Damit Ruhe ist, lassen wir ihn vor. Das sieht ein anderer Verkehrsteilnehmer (was für ein Zufall: Wieder ein Berliner!), klopft an die Scheibe und versucht nun auch dasselbe. Darauf lassen wir uns allerdings nicht ein…Halleluja! Wir nähern uns Deutschland! Die Polen machen es übrigens viel unkomplizierter: Zwei Ducatos (Monteurfahrzeuge) überholen einfach die Schlange auf der LKW-Spur, stellen dann „scheinbar“ fest, dass sie ja gar keine LKW fahren, blinken und ordnen sich weit vorne ein. Komisch: Niemand protestiert, auch unsere Berliner nicht!
Auf der anderen Seite werden dann Reisemobile, Ducatos und LKW auch noch als Erste von der Fähre gelassen. Das wurmt unsere „gesetzestreuen“ deutschen Mitbürger nun ungemein und jetzt wird es richtig „vorbildlich“: Wir werden alle (!) mit Lichthupe und aufheulendem Motor überholt – wohlgemerkt bei doppelt durchgezogener Fahrbahnmarkierung und einer Geschwindigkeitsbegrenzung von 60 km/h! Fremdschämen ist angesagt! Eine halbe Stunde später erreichen wir den Camping Relax, wieder nahe an Stadtzentrum und Strand. Hier ist noch bedeutend mehr los als in Kolberg, Ferienstimmung pur.
Wir essen wieder gut und günstig in einem der vielen Restaurants an der Strandpromenade und lernen anschließend noch eine leckere ungarische Spezialität kennen, die wir an einem Stand dort probieren: Kolatsche, entfernt verwandt mit einem Baumkuchen, hmm!
Morgens, beim Leeren unseres Urintanks an der Entsorgung, dann die nächste Begegnung der „deutschen Art“. Ein Opa leert vor mir seine Cassette und spült sie anschließend, indem er den Schlauch der Frischwasserversorgung tiiiief in den Cassettenschnorchel steckt! Seine zehn- oder elfjährige Enkelin ist scheinbar ziemlich clever und fragt ihn, weshalb er nicht den für die Reinigung vorgesehenen Wasserhahn benutze, und was antwortet der: „Das ist mir zu unhygienisch!“ Oh, Herr, wirf Hirn herab!!! Nun geht es am Polenmarkt vorbei zurück nach Deutschland. Da das Wochenende naht, ist auf der Gegenspur eine Menge los. Erst nachdem wir Ahlbeck, Heringsdorf und Bansin durchquert haben, wird es langsam ruhiger. Wir machen noch einen letzten Stopp in Ribnitz-Damgarten und halten am Stellplatz „Gänsewiese“. Wow, hier an der Ostsee hat man gelernt, wie man Mobilsten abzockt – 20 € ohne Strom, lediglich Frisch- und Abwasser sind im Preis mit drin und das gibt es für jeden Vorbeireisenden ansonsten gratis.
Kathrin durchforstet das Internet und stellt fest, dass es in der ganzen Gegend günstiger nicht geht. Ein Platz auf der Nehrung kommt sogar auf 45 € ohne jeglichen Komfort – dahin geht die Reise und wir „alten Hasen“ haben es bereits vor langer Zeit vorhergesagt! Trotzdem verdient die örtliche Wirtschaft noch an uns, denn Kathrin kauft sich noch eine neue Jacke, aufs Essengehen verzichten wir allerdings heute.
Eine letzte Nacht in Exes gemütlichem Bauch, dann geht es auf die A 20 in nicht einmal zwei Stunden ganz ruhig nach Lübeck und eine weitere knappe Stunde später sind wir wieder in Eutin.