Bretagne

Da wir erst am frühen Nachmittag bei unseren Bekannten, Christine und Marco, sein wollen, haben wir vormittags noch viel Zeit. Also schreibe ich ein wenig am Blog und lade mein Rad ein, mit dem ich heute Morgen bereits vergeblich durch Beauvoir gefahren bin und frustriert feststellen durfte, dass Frankreich auch nicht mehr ist, was es einmal war: Kein offener Bäcker, dafür draußen Backautomaten, aus denen man sein Fabrikbaguette dann ziehen kann – das hätte ich mal vor 20 Jahren einem beliebigen Franzosen prophezeien sollen!

Gegen 13 Uhr fahren wir auf der D 976 gen Süden und dann auf die nach Westen führende Schnellstraße N 176. Kurz vor Dole-de-Bretagne halten wir bei Carrefour zum Einkaufen und tanken – apropos (ein Tipp für Frankreichunerfahrene) tanken: An den Supermärkten kostet der Diesel im Schnitt mehr als 10 Cent pro Liter weniger als an den regulären Tankstellen, die es (vielleicht auch deshalb?) übrigens immer seltener gibt. Dafür benötigt man dringend, wie für vieles andere in Frankreich auch, eine Visacard – EC ist gut fürs Geldabheben und manchmal komischerweise auch, wenn eigentlich nur „Visa“ dransteht!?

Dann geht es auf der D 676 weiter in Richtung Dinan und kurz vorher laufen wir in La Vicomte-sur-Rance ein, einem kleinen und ruhigen Dorf über der Rance. Hier haben sich Christine und Marco vor acht Jahren ein typisches bretonisches Steinhaus gekauft und Marco hat es liebevoll von Grund auf saniert.

0149_20190918_163123
Haus von Christine und Marco

Wir parken knapp am Straßenrand, ein wenig argwöhnisch von den Nachbarn beäugt, denn die Parkmöglichkeiten in den kleinen Straßen des eng bebauten Dorfes sind rar. Große Begrüßung auf französische Art, ab in den Garten mit Sicht aufs Grüne oberhalb des Flusses und dann ist reden….reden….reden angesagt. Zuerst beim Kaffee mit unterschiedlichsten Landkarten – 1000 Tipps, was man sehen muss, was man unbedingt erleben sollte und das nicht nur in der Bretagne, sondern bis nach Portugal. Dann braucht Marco seinen Mittagsschlaf (äh – so gegen 16.30 Uhr, hier herrscht eindeutig eine andere Zeiteinteilung!) und Christine zeigt uns auf einem Spaziergang die nähere Umgebung. Wir laufen durch ein Wäldchen hinunter zur Rance und am Fluss entlang bis zur Schleuse, der den Fluss Rance vom Meeresarm Rance trennt. Auf dem Rückweg sammeln wir dann gleich die Brombeeren fürs heutige Dessert und natürlich wieder reden…reden…reden. Wieder zurück, fährt Christine zum Einkaufen in den Ort (es ist 18.30 Uhr und wie sie meint, noch früh – wie gesagt: andere Zeiteinteilung!). Wir schauen uns den netten, aber kleinen Stellplatz direkt unten am Fluss an – was für ein Idyll, also parken wir um und laufen dann die paar Meter zum Haus zurück, wo Marco inzwischen mit einem hervorragenden Wein als Apéritif auf uns wartet und wieder reden…reden…reden und das in einer Mischung aus Englisch und Französisch mit Marco und Deutsch mit Christine, die ja früher als Deutschlehrerin gearbeitet hat.

0151_20190918_184815
Stellplatz an der Rance

Jetzt engagiert sie sich sehr energisch, wie sie nun einmal ist, für die Eingliederung und Sprachschulung von Migranten. Gegen 19.30 Uhr ist sie vom Einkauf zurück und langsam geht es in Richtung Essen. Damit die ungeduldigen Deutschen nicht so genervt sind, gibt es, während sie kocht, schon einmal als Angebot zwei vom örtlichen Schlachter hausgemachte Würste, dann Oliven und dazu Rotbier aus einer lokalen Mikro-Brauerei. Der Hauptgang (verdauungsfreundlich gegen 21.15 Uhr, wie gesagt: Andere Zeiteinteilung!) besteht aus einem ganzen „Pollack“, einem Verwandten des Kabeljau, im Ofen gegart mit einem selbst gemachten Pesto aus Dill, Zwiebeln, Knoblauch und Olivenöl, eigerieben in die vorher eingebrachten Schnitte. Dazu dann Ofenkartoffeln mit Fenchelsamen („Das passt so gut zu Fisch!“), geschmorten Ofentomaten und Échalotten. Das Dessert bildet dann ein Brombeer-Apfel-Crumble mit den frisch gesammelten Beeren vom Nachmittag. Dazu richtig guter Rotwein und wieder reden…reden…reden. Kurz nach Mitternacht verabschieden wir uns von Christine und Marco begleitet uns noch bis zu unserem Plätzchen am Fluss. Dann ist Ruhe und nur noch die Käuzchen reden…reden…reden.

Nun geht es auf der autobahnähnlichen N 176 bis hinter St. Brieux und weiter über die D 6 und D 7 über Lanvollon und Tréguier auf die kleine D 8 und hoch nach Plougrescant. Dort ist der kleine Campingplatz von „Le Grouffe“ unser heutiges Ziel. Zum Einen ist hier an der ganzen Küste das Freistehen radikal untersagt, zum Anderen ist wieder einmal Wäsche waschen angesagt, zum Dritten ist die Gegend der erste Tipp von Christine und Marco und zum Vierten ist heute mein Geburtstag, da wollen wir es ein wenig gemütlich haben – und das haben wir auch, denn wir ergattern ein Plätzchen mit absoluter „Privacy“, von außen kaum zu sehen und mit einem schönen und sonnigen „Privatrasen“. Als Geburtstagsessen haben ich mir Steaks gewünscht, dazu gibt’s Kartoffelgratin aus dem Ofen und einen frischen Gurkensalat. Ein Poiré (wie ein Cidre, nur mit Birne anstelle von Apfel) aus der Normandie und hinterher einen edlen Calvados – leben wie Gott in Frankreich eben!

Am nächsten Tag müssen die Kalorien wieder runter. Da hier in der Gegend das Handynetz eher schwach ausgeprägt ist, lade ich mir bei Komoot die Fahrradkarte am Büro über Wi-Fi runter. Damit ist die Navigation sichergestellt und es kann auf Erkundungstour der Halbinsel gehen. Gegen Mittag brechen wir endlich auf. Zuerst geht es zum Fotomotiv Nr. 1 der Bretagne, dem Haus zwischen den Felsen (siehe Titelbild) und der Felsformation an der Spitze der Halbinsel, die der Gegend den Namen gab: „Le Grouffe“. Dann versuchen wir so gut es geht immer an der Küste entlang nach Süden zu fahren. Einmal lotst uns die Navigation von Komoot auf den Küstenfernwanderweg GR 34, was wir leider erst merken, als wir unten am Strand mit den Rädern fast versinken und nur die Umkehr inklusive Treppensteigen (mit einem schweren E-Bike kein Vergnügen!) möglich ist. Die Route ist (selbst mit dem E-Bike!) ziemlich anstrengend, denn die Bretagne ist hier reichlich hügelig und der Wind kommt auch immer von vorne und so sind wir froh, als wir schließlich in Tréguier ankommen. Wir stellen die Räder ab und sehen uns die hübsche Altstadt an und in einem kleinen Schmuckgeschäft (hier gibt es sowieso eine Menge Kunsthandwerk) findet meine Kathrin sogar hübsche kleine Silberohrringe. Wieder zurück, gönnen wir uns einen Pastis in der Sonne – was geht es uns doch schlecht!

0172_20190920_140332
Stadtzentrum von Tréguier

Aktivitätstag: Raus aus dem Bett, Bettwäsche runter, Waschtag! Währenddessen lade ich die Räder ein und den Roller aus, nehme mir den Druckluftschlauch und prüfe alle Reifen, die wir so mit haben – das sind ganz schön viele: 14 Stück! Um 12 Uhr ist die Wäsche durch und 15 Minuten später sitzen wir auf dem Roller und erkunden die Küste weiter im Westen bis zu den Touristenmagneten Perros-Guirec und Ploumanac’h. Wir schauen im schönen Port Blanc ein paar Mädels zu, die ihre Pferde ohne Sattel reiten – gar nicht daran gedacht, wie schwer es ist, wieder aufzusteigen, wenn man erst mal unten ist – nein, wir sind nicht schadenfroh! Da heute Samstag ist, ist überall so einiges los. Wir finden die Gegend ganz nett, aber umhauen tut es uns nicht – da ist es um „le Grouffe“ schon interessanter – danke nochmal an Christine und Marco für den Tipp! Wieder zurück, geht es mit den Aktivitäten weiter, denn heute ist wieder Haare schneiden angesagt. Obgleich ich ja nach der Neunmonatstour im letzten Winter eigentlich Routine entwickelt haben müsste, tritt mir doch jedes Mal der Angstschweiß auf die Stirn, wenn ich meiner Liebsten eine neue Kurzhaarfrisur schneiden soll – sie hat da bei mir mit über 30 Jahren „9 mm Schnitt“ eine ganz andere Fertigungstiefe erreicht! Abschließend setzt Kathrin noch einen neuen Joghurt an und kocht für uns seit längerer Zeit wieder einmal asiatisch – lecker! Genau wie schon gestern sitzen wir noch bei einem Glas Wein bis nach 21 Uhr draußen.

Heute geht es weiter – ein wenig Kultur steht auf dem Plan, denn wir wollen im Westen rund 70 km entfernt zum „Cairn de Barnenez“, dem größten Grab der Megalithkultur. Vorher wird unser Wissensdrang noch ein wenig gezügelt, denn heute ist Volkslauftag und da wird rücksichtslos gesperrt, zwar nur zeitweise, da es aber ja nur vorübergehend ist, meint man wohl, auf ausführlichere Umwegschilderungen verzichten zu können. An einer Stelle stehen wir ziemlich ratlos da und wollen gerade wenden, als uns zum Glück gerade noch der Straßendienst entgegen kommt und uns durch Zeichen zu verstehen gibt, dass die Freizeitathleten gerade die Piste verlassen haben und erspart uns somit einen längeren Umweg. Um 12.15 Uhr erreichen wir das Grab, womit wir aber nicht gerechnet haben ist, dass Steinzeitgräber in Frankreich Mittagspause machen. Zwei Stunden sollen wir warten, das ist uns dann doch zu lang. So gibt es denn nur ein Foto aus größerer Entfernung und selbst dazu musste meine Kathrin einige Kletterübungen auf sich nehmen, denn das Grab ist „ticketverkaufstechnisch“ günstig durch Gatter und Knickbewuchs vor kostenlosen Fotodokumentationen geschützt:

0183_20190922_122605
Das unter Körpereinsatz entstandene Einzelfoto des Megalithgrabs

Also geht es nun nach Süden über Morlaix und die D 172/D 712 sowie die D 18 nach Sizun. Über Le Faou und die D 791 nach Crozon erreichen wir schließlich unser heutiges Tagesziel Camaret-s-Mer mit seinem schönen Stellplatz auf der Steilküste und direkt neben einem großen Hinkelsteinfeld. Das schauen wir uns zuerst an, dann besuchen wir noch die Ruine des Landhauses des bretonischen Nationaldichters Saint-Po-Roux und bewundern von dort aus den umwerfenden Blick auf die Steilküste und den unten liegenden Strand – der wusste schon, was gut ist!

0194_20190922_154720
Camaret – Blick von der Steilküste

Am nächsten Tag haben wir richtiges Sch…wetter und das soll auch noch bis morgen Nacht so bleiben. Also planen wir ein wenig um. Wir fahren zurück nach Crozon, dann geht es bei Starkregen und Sturm weiter über die D 39 zur N 165 (vierspurige Schnellstraße) und immer weiter nach Südosten über Quimperle bis Lanester. Hier biegen wir auf die D 194 ab und folgen ihr über Erdeven zum Stellplatz von Kenhillio. Wieder in Strandnähe gelegen, wieder fast leer, wieder wie in der letzten Zeit häufig ist Strom inklusive. Da das Wetter keine Freiluftaktivitäten zulässt, ist „Arbeit“ angesagt, also Blog schreiben, Fotos sortieren und durchnummerieren… gegessen wir nochmal bretonisch: Galettes au chèvre und Croque Monsieur.

Beim „Klo leeren“ erwischt es mich zum ersten Mal seit zwei Jahren wieder: Hexenschuss, und das nicht zu knapp! Die ewige Humpelei wegen meiner Blase hat wohl meinen Bewegungsapparat gründlicher durcheinander gebracht als gedacht. Vorsichtig fahren wir also zum „Maison de Menhires“, dem Zentrum mit Museum und Parkplatz in Carnac, von dem aus man die vier verschiedenen Menhirfelder (also Obelix‘ Hinkelsteinausstellung) mit insgesamt mehreren Tausend Menhiren besichtigen kann.

0223_IMG_0941
Menhirfeld 2
0214_IMG_0932
Der 6 m Menhir von Manio

Das kann man per Aussichtsbus oder Minieisenbahn tun, bei mir allerdings hilft bei Hexenschuss nur laufen, laufen, laufen. Also erledigen wir die gesamte Besichtigungstour (sehr eindrucksvoll!) per pedes und nach 2 ½ Stunden haben wir dieses Mal wirklich alles gesehen. Weshalb „dieses“ Mal? Nun, zum ersten Mal waren wir in jugendlicher Zeit, also im Jahr 1975, mit einem gemeinsamen Freund hier – es war zur Hochblütezeit von Asterix und Co. und die Menhirfelder waren noch nicht so bekannt und berühmt wie heute. Wir sind jedenfalls mehrmals durch Carnac gefahren und haben die blöden Steine damals einfach nicht gefunden – keine Ahnung, weshalb nicht, die Felder sind nun wirklich nicht einfach zu übersehen! Danach geht es zurück zur autobahnähnlichen N 165, auf der es über Vannes bis Pont-Château geht – und dabei verlassen wir die Bretagne.