Schon während der Grenzabfertigung haben wir einen winzigen Einblick in die georgische Mentalität bekommen. Nicht nur die lockere Art der Grenzbeamten, sondern der Blick aus dem Schalterbereich auf den Platz dahinter macht neugierig, denn dort herrscht Chaos! Man sieht eine Menge bunter Buden, hauptsächlich Geldwechsler und Imbisse, die Autos parken total durcheinander, dazwischen laufen überall wild gestikulierend Leute und ich versuche schon einmal herauszufinden, wo der Weg für uns dazwischen verlaufen könnte – gebe dann aber schnell auf. Als wir den Grenzbereich verlassen, entpuppt sich das Ganze als gar nicht so schlimm (wie meistens!), nur ein einziger fleißiger Verkäufer versucht uns eine Versicherung zu verkaufen und als wir ihm erzählen, wir hätten die über die Regierungsseite im Internet erworben, sehen wir sein sorgenvolles Gesicht ob der Zukunft seines gerade aufblühenden Geschäftsmodells. Ein paar Kilometer weiter finden wir einen funktionierenden (!) Geldautomaten an einer Tankstelle auf der gegenüberliegenden Seite – komisch, neben den Wechselstuben waren alle aus unersichtlichen Gründen kaputt!!?? Meine Open-Top-Map aus dem Internet funktioniert auch auf dem Garmin, sogar routingfähig ist sie, also auf nach Batumi! Hier haben wir einen Tipp aus dem Internet: Der Großparkplatz am Dolfinarium neben Park und kleinem See soll ein ruhiger Platz für die Nacht und trotzdem zentrumsnah sein. Wir kämpfen uns zur Berufsverkehrszeit durch den Stadtkern (erster Härtetest bestanden!) und finden auch den Parkplatz, das Herz jubelt, denn der Platz ist leer und dann erfolgt die Ernüchterung: Schranke davor, Wärter steht da und schüttelt den Kopf – geschlossen! Ok, da gab es noch einen Platz für PKW und Busse, der sollte zwar lauter sein…auch geschlossen, dasselbe Bild! Scheinbar wurden die Flächen aufgekauft und sind nun Bauerwartungsland! Also kämpfen wir uns aus der Stadt raus und landen aus Versehen auf der neuen Schnellstraße, die auch S 2 heißt, und hier gibt es kaum Abfahrten. So müssen wir bis Kobuleti fahren, dann biegen wir ab und fahren auf der alten, strandnahen S 2 wieder ein kleines Stück nach Süden. Blind folgen wir einer Wohnstraße in Richtung Meer und wieder: Volltreffer! Ein einsames Plätzchen am Meer, sogar ein uraltes Klohaus steht in einiger Entfernung. Ein paar Anwohner holen gerade Kies für irgendwelche Bauarbeiten vom Strand. Die frage ich und bekomme ein „Thumbs up“, hier bleiben wir. Bewachungshunde sind wie immer auch wieder zur Stelle.
Hier können wir sie brauchen, denn die frei umherlaufenden Kühe schubbern sich gerne am Fahrradträger. Das mag der auf Dauer nicht so und die Hunde halten uns die Kühe vom Leib – praktisch!
Das Wetter ist super und soll auch noch für ein bis zwei Tage so bleiben. Also beschließen wir, einen Ruhetag einzulegen. Strand, Sonne, eine angenehme Brise vom Meer…was will man mehr? Ich arbeite am Blog (da gibt es einiges nachzuholen!) und Kathrin beginnt mit dem Sichten und Sortieren der ersten 400 Bilder. Dann noch ein wenig Kontoauszüge drucken, ein kleiner Strandspaziergang, lecker kochen und essen und schon ist der Tag um.

Die Luftfeuchtigkeit nimmt ständig zu – heute haben wir bereits morgens 87 %! Unsere inzwischen drei Hunde passen weiterhin gut auf uns auf und sind sicher traurig, dass wir heute weiterfahren. Allerdings tuckern wir nur ein paar Kilometer nach Norden, denn am Ortsausgang von Kobuleti finden wir die Einkaufsumgebung, die wir heute brauchen; Supermarkt (oder das, was man hier darunter versteht), Obst- und Gemüseladen, Bäcker und einen Paybox-Automaten. Neben dem üblichen Einkauf gönnen wir uns beim Bäcker für heute Abend verschiedene Backwaren: Eine Art Pizza mit Würstchenbelag und Mayonaiseverzierung, ein längliches, pideartiges Brot mit Zwiebelfüllung, eine Art Teigtasche mit einer Füllung aus hart gekochtem Ei und dann noch etwas, das so aussieht wie ein gebackenes Hotdog – wie sich abends rausstellt, ist alles sehr lecker! Interesssant ist die Paybox: Hier kann man alle möglichen Zahlungen online leisten, wenn man kein Online-Bezahlsystem zur Verfügung hat. Sie sieht ein wenig aus wie ein Bankautomat, allerdings ohne „echte“ Tasten, also lediglich Touchscreen und Karteneingabe. Zum Glück kann man „unsere“ Box auf Englisch umstellen, sonst wäre man verloren. Aber auch so ist die Zahlung eine Herausforderung. Man geht in die Rubrik „Handy“, gibt seine Nummer ein, in unserem Fall also die Sim-Kartennummer, und soll nun eigentlich beliebige Summen an den Betreiber schicken können. Sollte! Wir haben vorher online auf dem Handy ein Paket von 15 GB für einen Monat bestellt, da die Datenmenge der geschenkten Karte fast aufgebraucht ist und sollen dafür eigentlich 30 Lari löhnen. Die Paybox hält das scheinbar für zu billig, verweigert eine einfache Zahlung und bietet stattdessen nun eigene Pakete an. Ok, überredet, also dann nehmen wir eben nach europäischen Bedingungen immer noch nicht zu teure 5 GB zu 50 Lari. Nun muss man in Scheinen und Münzen den genauen Betrag plus eine Kommisionsgebühr in den Schlitz einschieben, denn der Automat wechselt nicht! Kurz darauf bekomme ich eine SMS von unserem Betreiber, dass die Zahlung eingegangen ist. So weit, so gut. Nun aber kommen die SMS im Minutentakt und wir verstehen kein Wort, was man denn von uns eigentlich will! Später bitten wir nette Georgier um eine Erklärung und es ist ein kleiner Trost, dass auch Sprachkundige mit den Nachrichten rein gar nichts anfangen können. Tatsache ist, dass das Internet weiter funktioniert – wollen mal sehen, wie lange!?
Nachdem wir uns noch an der Straße mit Zitrusfrüchten eingedeckt haben, fahren wir durch den Kolkheti Nationalpark südlich von Poti zum Verwaltungsgebäude mit Visitor Center am südlichen Stadtrand. Es ist 12 Uhr, das Tor ist zu, niemand ist zu sehen. Also parken wir draußen und ich untersuche den Fußgängerzugang – siehe da: Er ist offen! Also rein, die Dame im Besuchsraum bekommt große Augen und verschwindet mit dem Handy winkend nach draußen. Wenige Minuten später ist Khatuna Katsarava, die Verwaltungschefin des Parks da, die sehr gut Englisch spricht. Schön, wenn man sich nach einigen Tagen wieder einmal mit jemandem unterhalten kann und auf Anhieb versteht, was von einem erwartet wird. Wir bekommen eine kurze Einführung in den Park und seine Besonderheiten und uns wird eine Bootstour empfohlen, denn der Park besteht hauptsächlich aus Seen, Wasserläufen und Feuchtgebieten. Das wollen wir auch gerne machen, sie kann uns allerdings nicht sagen, ob heute Nachmittag oder morgen, denn der Akku ihres Handys ist kaputt und ohne das Smartphone „I’m dead!“. Nun kommt’s: Hier gibt es vier nagelneu angelegte Reisemobilstellplätze inklusive WC, Dusche und auf Nachfrage (die Strandtage haben ein wenig an der Batterie genagt) sogar Strom. Wir sollen uns installieren, sie „rennt“ in die Stadt, um ihr Handy wieder in Gang zu bringen und in einer Stunde wissen wir mehr. Ein Ranger hilft beim Stromanschluss, dann setzen wir uns an den angrenzenden, kleinen See, genießen den Schatten und schauen den Anglern zu.

Tatsächlich ist Khatuna eine Stunde später mit funktionierendem Handy wieder da und nun geht alles ganz schnell: Ihr italienischer (!) Wetterbericht sagt ab 19 Uhr Regen und Wind voraus, also sollen wir schnell los. Komisch, unsere Wetterapp sagt in einer Stunde (!) Gewitter voraus und es donnert auch schon in der Ferne – na, ja, vielleicht zieht es ja nördlich vorbei? Also rüber ins Zentrum und zahlen: 90 Lari fürs Boot (als Khatuna „Speedboot“ sagt, hätten wir hellhörig werden müssen – es geht um das Beobachten von Vögeln und Natur! – aber sie meint, wir müssten erst über den See und der wäre sehr groß!) und 25 Lari fürs Parken. Sie drängt zur Eile, also umziehen, Regenzeug für den Notfall, Ferngläser und Bestimmungsbuch einpacken und zu Fuß den einen Kilometer zur Anlegestelle am See laufen. Es dräut übrigens immer mehr und das Donnern wird lauter, auch erste Windboen kommen auf. Die Häuser, die wir auf dem kurzen Fußweg sehen, sind eine Lektion für sich – Georgien hat noch einen weiten Weg vor sich! Zuerst denken wir, es handelt sich um Ruinen – kaputte Fenster, teilweise eingestürzte Dächer, vorgehängte Teppiche anstelle von Türen. Dann sehen wir Menschen in den Häusern, erkennen nagelneu montierte Wasserzähler an den „Ruinen“ und vor einigen Gebäuden stehen sogar ziemlich neue (!) PKW. Dann wird unsere Aufmerksamkeit auf die Anlegestelle gelenkt: Ein Bootshaus, daneben liegt ein neues und großes Pontonboot – na also, denke ich. Damit kann man auf Beobachtungstour gehen, das macht Sinn! Niemand zu sehen. Auf mein laut gerufenes „Hello“ öffnet sich im ersten Stock des Bootshauses eine Tür und da steht „Rambo“: Tarnjacke, Tarnhose, Springerstiefel, Sonnenbrille und große Gold- (na ja, zumindest goldfarbene!) Armbanduhr. Hinterher wird uns Khatuna erklären, „Rambo“ wäre georgischer Meister im Wildwasser-Kajak. Als wir Anstalten machen, das Pontonboot zu betreten, macht uns Emzar Malania, so der wirkliche Name Rambos, äh, des Rangers, mit knapper Geste klar, dass wir ihm zum Anleger im Bootshaus folgen sollen und da liegt dann tatsächlich…ein kleines Speedboot! Ok, das Donnern wird immer bedrohlicher, der Wind nimmt weiter zu und das Boot ist aus Aluminium! Ich zeige auf die schwarzen Wolken und Emzar zuckt mit den Schultern. Was soll’s, nur Mut, also rein in die Nussschale. Ezmar beginnt langsam mit hoch gelegtem Außenborder, denn die ersten 100 m sind so flach, dass die Schraube fast Grund berührt. Dann wird es tiefer und er gibt Gas, aber hallo!!

Da die Wellen bereits etwas höher sind, spüren wir alten Rückenkranken bald jede einzelne Bandscheibe oder werden vielmehr schmerzhaft daran erinnert, wie wenig noch von ihr übrig ist. Dann mache ich den Fehler und drehe mich nach dem Gewitter um und was sehe ich? Über dem Meer, auf dem Wege zu uns, hat sich ein Tornado gebildet. Zwar nicht sehr groß, aber das ist unser Boot auch nicht und Exe, so sieht es von hier aus, könnte dem fiesen Schlauch auch noch im Wege stehen. Ich mache Emzar darauf aufmerksam und der winkt ab – „See“ und „oft“ sind die Worte, die ich glaube zu verstehen (er kann kein Englisch oder eine andere Fremdsprache!), aber ob er das nicht nur zu unserer Beruhigung sagt, vermag ich in diesem Moment nicht zu sagen.

Nun ruft noch Khatuna an, die inzwischen auch die beunruhigenden Wetterinfos erhalten hat, aber wir sind jetzt mitten auf dem See und da gibt es für „Rambo“ nur eines: Vollgas! Jetzt fängt es auch noch an zu regnen! Kathrin ist so richtig angeschmiert. Nachdem wir zuerst Beide hinten gesessen haben, hat mich Emzar schnell wegen der ungünstigen Gewichtsverteilung (da gibt es gar nichts zu lachen!) nach vorne geholt. Dort gibt es zum Glück eine Windschutzscheibe, hinter der man sich ähnlich wie beim Motorroller ganz gut verstecken kann, aber meine arme Frau hat’s da nicht so gut. Zum Glück haben wir die Regencapes dabei und die ziehen wir nun über. „Rambo“ mag, obgleich es nun schon ziemlich düster ist, immer noch nicht von seiner Sonnenbrille lassen und brettert, ohne die Geschwindigkeit zu verrinngern, in die Wasserläufe des Feuchtgebietes hinein. Wir sehen durch Regen und Geschwindigkeit….nichts, absolut nichts! Andererseits können wir ihn verstehen – mit dem doch etwas bedrohlichen Gewitter, in einem Aluboot, auf dem Wasser…da will man weg und schnell an Land. Nach einer ¾ Stunde haben wir es geschafft. Wir sind am Wendepunkt der Tour und hier gibt es einen Anleger mit zwei überdachten Picknickareas.


Kaum sind wir sicher, da legt das Gewitter richtig los. Es schüttet wie aus Eimern, Blitz und Donner nähern sich zeitlich immer mehr einander an. Schließlich noch ein kleiner Wink des Schicksals, mit dem eigenen Leben etwas fürsorglicher umzugehen: Es blitzt, knapp 100 m hinter uns im Wald wird es sehr hell, und der Knall (kein Donner!) kommt zeitgleich – das war knapp, sehr knapp! Irgendwann lässt der Regen dann nach und hört schließlich ganz auf – das wäre so die Zeit gewesen, sich ein wenig umzusehen, aber zu spät. Nun geht es wieder ins inzwischen nasse Boot und der gleiche Ritt geht auf gleicher Route wieder zurück zum Anleger, denn der Himmel wird schon wieder schwarz und alle an Bord sind sich einig, dass wir wieder an Land sein wollen, sollte es wieder losgehen!


Fazit: Kann man machen, muss man aber nicht, denn: Mit Nationalpark, Naturschutz, Ornithologie oder einfach nur Natur genießen hatte das aber nun so was von gar nichts zu tun!! Auf dem Rückweg entdecken wir noch einen nagelneuen Supermarkt und hier bekommen wir etwas, was wir schon seit Griechenland suchen: Kaffeebohnen und sogar neun verschiedene Sorten zur Auswahl! Das versöhnt!! Zurück am Platz steht Exe unversehrt auf dem Trockenen. Ich schnappe mir den Laptop, um endlich „Albanien Teil 4“ online zu stellen, denn Khatuna hat uns angeboten, das WiFi der Verwaltung zu nutzen, aber daraus wird nichts, denn das Gewitter hat das Internet in der ganzen Provinz lahm gelegt. Da auch für morgen noch Regen angesagt ist, beschließen wir abends beim Wein hier einen Ruhetag einzulegen.
Das tun wir denn auch – morgens gegen 10 Uhr begebe ich mich in Khatunas Büro, um zu erfragen, ob das Internet wieder läuft und treffe auf fröhliche Gesichter: Leider nicht und nun könne man „leider“ auch hier nicht arbeiten! Schon bin ich eine Stunde in Khatunas Büro, sie erzählt und erzählt…von ihren verschiedenen Praktika und Trainings in China, Japan, Deutschland, den USA (Yosemite NP und Point Reyes NP), ihren Freunden überall in der Welt – das Netzwerk, das die Nationalparkleute in der ganzen Welt verbindet ist groß, das haben wir damals in den USA durch unsere Freunde Hildy und Ranger schon mitbekommen.

Um 11 Uhr gehen wir Beide zu unserem Wagen und zu Kathrin, nicht ohne Gastgeschenke in Form von Postkarten, einem Vogelbuch und einem Stadtführer von Tbilisi, an dem sie als Dolmetscherin mitgearbeitet hat, und nun wird bis 13 Uhr bei uns weiter geklönt. Dann läutet ihr Telefon, das Internet ist „leider“ wieder da, nun muss sie arbeiten und auch ich kann meine Internet-Arbeiten erledigen. Dann laufen wir zum Supermarkt und kaufen Khinkali, die hiesige, sehr leckere Ravioli-Variante und begehen zusammen mit dem ersten georgischen Wein (Saperavi) einen georgischen Abend.