Nachdem sich bis Anfang Mai 2020 immer noch nichts in Sachen „Reisefreiheit für autarke Wohnmobile“ getan hatte, war es bei uns Zeit für ein gründliches „Brainstorming“, wie es so schön altmodisch auf Neudeutsch einmal hieß. Unser hoffentlich noch einigermaßen gesunder Menschenverstand sagte uns, dass wir sicherer und besser in der freien Natur aufgehoben seien (siehe auch unter „Anekdoten“) als im urbanen Milieu. Schnell kamen wir auf das Land mit dem Sonderweg: Schweden! Die netten Schweden haben ihre Grenzen nicht geschlossen, Campingplätze (wenn man sie denn mal braucht) waren die ganze Zeit über geöffnet, die Fähren fuhren immer und mehr Natur als in Schweden geht in Europa sonst kaum! Also buchen wir für den 11. Juni – natürlich nicht ahnend, dass Europa zumindest teilweise zum 15. Juni wieder „öffnen“ sollte – unsere Fähre nach Trelleborg. Kurz vor Abfahrt kommt wieder so eine absurde Regelung unseres föderalistischen Landes: Unsere Heimat Schleswig-Holstein verkündet, dass alle Rückkehrer aus Schweden für 14 Tage in Quarantäne müssen – würden wir in NRW, Sachsen oder sonst wo leben, dann nicht! Is‘ wieder mal klar: Im locker besiedelten Schleswig-Holstein können wir natürlich, sollten wir uns in Schweden wirklich infizieren (wozu man sich bestimmt Mühe geben müsste!), viel mehr Leute anstecken als im dicht bewohnten NRW!? Ganz abgesehen davon, dass wir uns nicht in den Großstädten, sondern in der Natur und dort noch ganz besonders im hohen Norden rumtreiben werden. Wir lassen uns davon nicht beirren: Zum einen weiß kein Mensch, was zu unserer Rückkehr Mitte Juli gilt und was nicht, zum anderen haben wir zum Glück Zeit – wenn also Quarantäne angesagt ist, so kann daheim gleich der Garten wieder flott gemacht werden und die nächste geplante Fahrt ist erst gegen Ende August. Also geht die Tour im Corona-Jahr ganz anders als gedacht nicht nach Polen, Kaliningrad, die baltischen Länder und Finnland, sondern wieder einmal ins schöne Schweden. Der Blog wird natürlich – da zum x-ten Mal dort, nur für fünf Wochen lang und wohl den meisten Lesern hinlänglich bekannt! – nicht so ausführlich ausfallen. Also bleibt es, wenn nichts Wichtiges oder Unerwartetes passiert, bei diesem einen Kapitel, das einfach von Zeit zu Zeit „um ein paar Absätze“ ergänzt wird. Los geht’s:
Am Fährterminal geht es fast gespenstisch zu. Es ist schon ein wenig ungewohnt, wenn man erst die richtige Spur (natürlich ist nur eine offen!) suchen muss und dann nur den Check in-Automaten vor sich hat und weiter keine Menschenseele zu sehen ist. Auch die „Spur 15“, in der wir uns einreihen sollen, ist nicht leicht zu finden, wenn auf dem gesamten Verladeplatz kaum ein Fahrzeug zu sehen ist, das einem als Anhaltspunkt dienen kann. Erst direkt vor dem Schiff begegnen wir überhaupt dem ersten Menschen. Um 9.20 Uhr, also 10 Minuten vor der eigentlichen Abfahrt, legt die Peter Pan in Travemünde ab. Es ist fast gespenstisch leer auf dem Schiff – nur einige wenige der deutschen Mitfahrer tragen Masken, es wird an vielen Stellen auf die Abstandsregeln hingewiesen, überall steht Desinfektionsmittel bereit und das war es denn auch schon. Es ist angenehm unaufgeregt an Bord. Beim Zwischenstopp in Warnemünde, der uns übrigens überrascht hat, da nirgendwo angekündigt (wir hatten uns nur über die 10 Stunden Fahrzeit gewundert!), wird es um einiges voller, aber die Fähre ist insgesamt höchstens zur Hälfte besetzt. Eine halbe Stunde früher als angekündigt legen wir um 18.45 Uhr in Trelleborg an und eine ¾ Stunde später stehen wir auf dem kleinen und netten Strandparkplatz von Böste läge, neben uns noch drei weitere Womos aus Deutschland, die aber am nächsten Morgen alle bereits gegen 7 Uhr verschwinden, also auf dem Rückweg nach Hause sind.
Wir fahren weiter nach Ystad und machen den ersten Halt beim dortigen ICA. Hier kaufen wir die für uns unbedingt nötigen „Pflichtlebensmittel“, also eine breite Auswahl an Marabu Schokoladen und Falun Körv – die hiesige Fleischwurstspezialität, erfunden und eingeführt übrigens von einem deutschen Fleischermeister. Weiter geht es bis Höör, dann wechseln wir auf die 23 über Almholt und Grimslöv zur 126, der wir immer nach Norden über Alvesta zur 30 folgen. Lammhult, Vrigstad, Sävsjö und weiter auf der 128 und 40 nach Eksjö. Auf der 32 geht es schließlich über Tramas bis Boxholm und von dort noch 40 km auf kleinen Straßen und durch wunderschöne Landschaft (bei blauem Himmel!) über Väderstad zum Natur- und Vogelschutzgebiet Takern. Vom Parkplatz aus sind es nur wenige Schritte zum Beobachtungsturm – zwei Kranichpaare und ein Rotfuchs sind die „Highlights“ des Tages.
Am nächsten Tag tanken wir in Motala für 13,78 SEK (Umrechnungskurs fast genau 1:10!) voll, dann geht es schnell auf der 50 bis Askersund und von dort wie schon einmal auf kleinen Straßen durch schönes, überwiegend landwirtschaftlich genutztes Gebiet westlich an Örebro vorbei. Bei Lindesberg kommen wir wieder an die 50, dann geht es auf der 70 bis Djuras und auf kleiner Strecke an Leksand vorbei zu dem kleinen Campingplatz in Siljansnäs, den wir vor drei Jahren schon einmal besucht hatten und der damals von einer netten, kleinen, alten Dame gemanagt wurde. Dieses Mal ist er geschlossen und eigentlich wollten wir hier doch ein paar nette Tage verbringen und uns eingewöhnen. Trotzdem stehen jedoch eine Reihe schwedischer Mobile und Wohnwagen auf dem Platz – man kommt „hinten herum“ nämlich auch auf die Wiese am Strand! Unsere Versuche der Kontaktaufnahme scheitern größtenfalls kläglich: Die Leute verziehen sich, wenn wir kommen oder behaupten plötzlich, nicht ein einziges Wort Englisch zu können. Was bedeutet das? Wir fühlen uns jedenfalls nicht gerade willkommen und fahren ein paar Kilometer zurück. Dort haben wir am Ortsausgang von Leksand einen kleinen Patz gesehen, der (übrigens ganzjährig!) geöffnet hat und uns freundlich empfängt. 200 SEK pro Tag „mit alles“ sind nicht viel und als wir der netten Frau an der Rezeption von unserem Erlebnis erzählen, lächelt sie nur, nickt und meint kurz „illegal“! Klar, da möchte man dann auch nicht so gerne drüber reden!

Wir bleiben jedenfalls drei Tage hier bei bis zu 30° und absolut blauem Himmel, sonnen, grillen und machen als einzige größere Aktivität eine zweistündige Wanderung am See entlang nach Leksand – übrigens dem Zentrum der Mittsommarfeiern am Siljansee mit mehreren Tausend Besuchern. Wir sind eine Woche zu früh und freuen uns darüber, denn wir haben keine Lust auf den ganzen Rummel – später erfahren wir, dass alle Feiern wegen Corona abgesagt wurden! Unsere weitere Planung sieht den Besuch des größten Bärenparks Europas in Orsa vor, der allerdings inzwischen auch Tiger, Leoparden, Wölfe und Vielfraße beherbergt und somit jetzt „Predator Park“ heißt. Der ist bis Mittsommar allerdings nur von 10 bis 15 Uhr geöffnet, also muss man schon aufpassen, wann man dort ankommt. Da morgen auch noch schlechtes Wetter angesagt ist, fahren wir nur bis Mora, genauer auf einen kleinen, versteckten Anglerparkplatz am Osterdalälven. Feuerstelle mit von den Vorgängern dankenswerterweise zurückgelegtem Holzvorrat, nur das Rauschen vom Fluss…. Herz, was willst du mehr?
In Orsa erleben wir wieder das Problem „Stadt“: Die möglichen Stellplätze gefallen uns nicht oder liegen so, dass Ärger mit den Anwohnern nicht ausgeschlossen werden kann. Also begeben wir uns auf den örtlichen Campingplatz – nicht ahnend, dass es sich hier um den fünftgrößten Platz (!!) Schwedens mit mehr als 900 Plätzen handelt. Drei nette, junge Mädchen empfangen mich in der Rezeption. Es ist der Tag vor der großen Anreisewelle zum Mittsommar-Wochenende, die Damen sind noch nicht in Hochform und arbeiten sich ein: „Ein Stellplatz ohne Strom kostet 215 SEK.“ „Okay, wir bleiben zwei Tage!“ „Dann kostet es 550 SEK!“ „Weshalb müssen wir für zwei Tage mehr zahlen als für einen?“ „…Da muss ich fragen!“ Die nächste Dame kommt und übernimmt forsch: „Ab morgen ist Hauptsaison, also zahlen sie für einen Tag mehr.“ „Okay, macht Sinn, also zahlen.“ Man überreicht mir einen Plan und kennzeichnet alle Zeltplätze. „Kann ich dort auch problemlos mit dem Mobil stehen?“ „Nein, das ist nur für Zelte!“ „Aber wir haben ein Mobil!“ „Ach so, nein – das geht nur mit Strom!“ Ich entdecke auf dem Plan einen Platz, der mit „Stellplätze“ markiert ist und deute darauf. Sie schaut mich ungläubig an. „Da wollen Sie stehen? Na gut, das geht auch – kostet dann 450 SEK. Dann müssen wir aber wieder von vorn anfangen!“ Alles verkürzt dargestellt, aber nach 30 Minuten und drei Zahlbelegen bin ich draußen. Am nächsten Tag können wir dann die generalstabsmäßige Check in-Prozedur des Platzes auf drei Spuren mit vorbereiteten Papieren und vier Mitarbeitern im Pavillonzelt beobachten. Der Platz füllt sich, es herrscht viel Betrieb, aber zum Glück bekommen wir auf dem entfernt liegenden Stellplatzgelände davon so gut wie nichts mit. Wir schauen uns die wirklich langweilige Innenstadt an und gehen abends sehr gut im Platzrestaurant essen.

Sehenswert ist wirklich der 11 km entfernt liegende Bärenpark (keine Chance auf Freistehen: Verbote überall!) mit seinen immens großen Freigehegen – man muss schon viel laufen und gut aufpassen, damit man die Bewohner überhaupt zu sehen bekommt! Nach gut drei Stunden haben wir alle Tierchen mit Ausnahme eines Uhus gesehen und sind zufrieden.
Auf kleinen Straßen geht es nach Sveg und von dort über Vemdalen nach Norr-Hede. Exe freut sich, den nun beginnt Pistenzeit und sofort steht der erste Jungelch auf der Straße, später sehen wir auch das erste Rentier dieser Tour!
Nach 40 km erreichen wir einen wunderschönen Stellplatz mit mehreren Feuerstellen am Särvsjön bei Särvsjön. Hier bleiben wir drei Tage (auch, um nicht in irgendeine Mittsommarfeier zu geraten!) und sehen in dieser Zeit ein Wohnwagengespann und einen PKW, sonst nix außer Natur, z.B. Fischadler und Prachttaucher!
Schließlich lösen wir uns und fahren – wieder überwiegend auf Piste, die in Schweden ja eigentlich immer vorzüglich ist! – über das Flatruet Fjell (hier sind die schwedischen Wohnmobile und Touris alle!) und Ljungdalen zum Storsjön und machen auf einem der Parkplätze des naheliegenden Wikingergrabfeldes Station. Neben dem Besuch des Grabhügels, der nur 600 m entfernt ist, erledigen wir hier auch persönliche „Wartungsarbeiten“ wie Haare schneiden, duschen und Brot backen. Ach ja, seit fünf Tagen haben uns auch die schwedischen Mücken wieder gefunden! Deshalb sind im Moment die abendlichen Lagerfeuer auch „lebenswichtig“, denn ohne die würde ein Aufenthalt draußen schnell zu Blutarmut führen – der frühe Hochsommer hat leider auch für eine schnelle „Hochzeit“ dieser Tierchen geführt!
Viele von euch haben es vielleicht schon aufgegeben: Das Warten auf eine Panne, die in früheren Zeiten ja oft genug für Amüsement eurerseits gesorgt hat. Okay, die Wartezeit ist vorbei! Exe ist über vier Jahre alt und hat mittlerweile fast 90000 km auf dem Fahrzeugbuckel, also geht es langsam (wie bei allen unseren bisherigen Mobilen!) wieder los. Nachdem wir wie in den letzten Tagen auch fast ausschließlich auf äußerst staubiger Piste am Ljungan und Flasjön entlang nach Torsborg und von Björtnan in Richtung Kövra fahren, passiert es: In einer leichten Rechtskurve klingt es zuerst so, als wenn neben der Straße jemand gerade seine Kettensäge oder ein anderes lautstarkes Gerät in Betrieb nimmt, bis wir nach der Kurve merken, dass das ja wir sind! Nach kurzer und hektischer Ursachenforschung finden wir heraus, dass das Geräusch (ein metallisches Kratzen und Schleifen, ziemlich fies!) hinten rechts irgendwie hinter dem Rad entsteht, erkennen kann man aber von außen nichts. Also fahren wir vorsichtig weiter. Beim Bremsen ist alles ruhig, manchmal hilft das auch und wir können auf 70 – 80 km/h beschleunigen. Piste und Staub bremsen uns dann wieder ein und schon ein wenig Waschbrett auf der Piste verschlimmert den Krach erheblich. Wir versuchen bis zur Mercedes-Werkstatt in Östersund zu fahren, aber auf der 321 rund 60 km davor ist endgültig Schluss. Also ADAC kontaktieren und warten. Nach 1 ½ Stunden meldet sich Iver (so sein Vorname), fragt auf Englisch nach und aufgrund unserer Beschreibung gibt es von ihm sofort die Ferndiagnose: „Staub und Dreck hinter der Bremsscheibe – ein alltägliches Problem hier bei staubigen Pistenfahrten!“. Eine weitere Stunde später ist er aus Östersund mit seinem imposanten Abschlepper vor Ort, kurz darauf ist Exes Hinterteil angelupft und er macht sich ans Werk.
Kaum zu glauben, wie viel Dreck und Staub hinter die Bremsscheibe passt! Irgendwann hat er das meiste mit Hammer und Druckluft hervorgelockt, aber ganz weg kriegt er das Schleifen nicht und – was uns Dreien vor allem Sorgen bereitet! – es kommen immer mehr Rostplacken von zum Teil ganz ordentlicher Größe zum Vorschein.
Nun liegt beim Sprinter hinter der Bremsscheibe die Bremstrommel für die Handbremse und Iver (genau wie wir auch) vermutet, dass es dort wohl ordentlich Korrosion gibt. Er traut sich nicht, die Scheibe weiter herauszuziehen, da nicht abzusehen ist, wie es dahinter aussieht und vielleicht alles auseinanderfällt. Also alles wieder zusammen bauen und hinter ihm her zu Mercedes fahren.
Ivers Arbeit hat sich insofern gelohnt, dass auf den 60 km alles ruhig bleibt. Wir müssen zu den 300 €, die der ADAC übernimmt, noch 100 € drauflegen, Iver bekommt eine Dose Krombacher, wir klönen noch ein wenig – er ist mit einer Kanadierin verheiratet und liebt es, die Urlaube dort zu verbringen! – und dann warten wir auf morgen: Auf Asphalt, im Industriegebiet zwischen Hallen, kein Lüftchen weht und nach einem der heißesten Tage (30°C!) folgt die bisher wärmste Nacht (23°C!) des Jahres – toll!
Um 7 Uhr stehen wir an der Reparaturannahme und 20 Minuten später (!!!) steht Exe bereits in der Halle. Während die Jungs sich an Exes „Hinterläufen“ zu schaffen machen, gehen wir (notgedrungen, was anderes gibt es nicht) zu Mc Donalds und frühstücken. Um 10.30 Uhr ist Exe zum ersten Mal fertig: Unsere Diagnose war richtig, die Trommeln (beide!) der Handbremse waren total vergammelt, also waren links und rechts komplett neue Scheiben nötig – Trommel und Scheibe bilden eine Einheit.
Bei der Probefahrt kommt dann heraus, dass die alten, eingeschliffenen Beläge der Handbremse nicht mit den neuen Trommeln harmonieren – es ist nicht möglich, die Handbremse so einzustellen, dass sie greift. Also müssen auch dort neue Beläge rauf, was bedeutet: Alles wieder runter! Während Exe also wieder den Hintern anlupft, kurbeln wir vor lauter Langeweile die schwedische Wirtschaft an, denn im Einkaufszentrum gibt es einen Outdoorladen mit einem Sonderangebot an luftigen „Sommeroutdoorhosen“. Um 12.30 Uhr ist Exe dann wieder „gesund“ und wir sind 875 € ärmer – übrigens gar nicht so viel mehr, als uns das in Deutschland gekostet hätte, so viel zu den teuren Schweden! Die Werkstatt und die Mechaniker wie wir es bisher nicht anders bei Mercedes weltweit erlebt haben: Freundlich, kompetent und schnell. Nach einem Großeinkauf geht es dann am frühen Nachmittag zu einem schön gelegenen Campingplatz (tolle Aussicht!) auf der nahen Insel Frösön, denn morgen ist Wäschetag.
Nicht nur Wäsche waschen, sondern auch Ver- und Entsorgung erledigen wir auf dem Platz, bevor es weiter nach Norden geht – über Krokom auf die 339 nach Strömsund. Auf der E 45 fahren wir bis zum Ortseingang von Dorotea. Hier wechseln wir auf die nicht so tolle Piste (offiziell soll das hier eine Baustelle sein) nach Störback. Rund 30 km später beginnt eine nagelneue Asphaltstraße und schon sind wir zwei Kilometer später an der Badestelle von V. Ormsjö. Wie idyllisch – ein wirklicher Familienstrand: Die Kinder planschen und toben im Wasser, die Papas fachsimpeln an den Autos und die Mamas liegen in der Sonne. Außer uns steht noch ein Kastenwagen hier – eine junge Familie mit Kleinkind auf Elternzeit. Eigentlich wollte man jetzt schon in Kanada sein… wie Corona so spielt!
Am nächsten Morgen geht es auf der schönen Asphaltstraße weiter – leider nur ein paar Kilometer, dann hat uns die „Baustellenrüttelpiste wieder, zum Glück diesmal nur 15 km. In Störback biegen wir auf eine bessere Piste ab. Über Granlinden fahren wir weiter nach Norden, dann von Stalon bis Dikanäs und auf guter Piste bis zur E 12. Der folgen wir ein Stück nach Osten, bevor wir auf die Strecke nach Sorsele abbiegen. Leider gibt es hier nicht sehr viele gute Plätze, also biegen wir hinter dem Storjultansee auf die Schotterpiste nach Jiltaur ab und siehe da, hier finden sich nach ein paar Kilometern nette Plätzchen, zwar an der Piste, aber für eine Nacht lässt es sich bei dem regen Verkehr (wir zählen bis zu unserer Abfahrt am nächsten Tag drei Autos!) gerade noch aushalten. Die Hitze ist vorbei, bei 19° sitzen wir auch gerne drinnen – sehr zum Leidwesen der unzähligen Mücken draußen vor der Tür!
In der Nacht finden doch eine ganze Reihe der lieben Tierchen trotz Mückengaze zu uns herein. Es dauert ein wenig, bis es uns dämmert: Wir haben vergessen, die Zwangsöffnungen der Fenster zuzukleben! Das holen wir jetzt nach. Dann geht es zurück zum Asphalt, über Sorsele zur E 45 und nach Arvidsjaur, denn wir müssen wieder einmal einkaufen und tanken. Nach einem netten Gespräch mit einem Deutschen, der 10 Monate im Jahr hier lebt und sein Geld mit Abenteuertouren durch Lappland verdient und sich ausführlich für Exe interessiert, studieren wir die Wetterapp und daraus folgt, dass wir im Moment nicht weiter nach Norden fahren sollten, denn dort gibt es eine Menge Regen und sogar kurz unter Kiruna Schnee! Nach drei Wochen Sonne und Wärme sind wir dafür jetzt zu verwöhnt, also geht es auf der 94 nach Osten – den Jungelch und die Rentiere auf der Straße verschonen wir (zu viel Arbeit, bis wir die auf dem Grill haben!) und ab Vistträsk fahren wir auf Piste bis Nässudden. Auf Asphalt geht es über Vidsel am Storforsen Hotel und Camping vorbei auf die 374. Nach ein paar Kilometern fahren wir scharf nach links auf einen Waldweg und zwei Kilometer später stehen wir auf einem absoluten Traumplatz direkt am rauschenden Piteälven. Wow, womit haben wir das verdient? Irgendwie müssen wir doch brav gewesen sein!
Hier bleiben wir mindestens noch zwei Tage. Was einen – auch hier! – immer wieder wundert, ist der gute Internetempfang in der absoluten Wildnis. Also rufen wir unseren guten alten Freund Peter an und gratulieren zum Geburtstag – ist für uns immer noch nicht selbstverständlich, wenn das Gegenüber in Hamburg klingt, als wenn es nur ein paar Kilometer entfernt sitzen würde. Kathrin macht zur Feier des Tages Pizza, außerdem können wir Prachttaucher bei der Arbeit beobachten – uns geht es wieder einmal sooo schlecht!
Heute wandern wir zum Storforsen – der Pfad ist zwar nur 2,5 km lang, dafür aber mit vielen Wurzeln durchsetzt und steinig. Daher dauert es doch rund 45 Minuten, bis wir da sind. Endlich sind wir terminmäßig einmal richtig davor, denn die Fälle sind Ende Juni, wenn das ganze Schmelzwasser aus den Bergen kommt, am mächtigsten – und was haben wir jetzt? Genau: Ende Juni! Das Gebiet ist touristisch gut aufbereitet, aber viel los ist auch hier nicht. Gut, die Grillstellen am und im Wasser (auf den Felsen platziert) sind alle belegt, aber wenn man sieht, auf wie viele Menschen man hier eigentlich vorbereitet ist! Nach gut drei Stunden sind wir wieder zurück und genießen ein gut gekühltes, deutsches Bier.
Die Mücken halten wir, seit Kathrin die Zwangsöffnungen verschlossen hat, gut in Zaum, aber als ich vor der Abfahrt Tisch und Stühle wegräume, bekomme ich fast einen Schock: In den paar Minuten, in denen die Klappe zum Stauraum zwangsweise offen ist, zähle ich drinnen bereits mehr als 25 Mücken. Da der Stauraum über Belüftungsschlitze mit dem darüber liegenden Bett verbunden ist, mag ich mir gar nicht vorstellen, wie wir in der nächsten Nacht kämpfen müssten. Zum Glück haben wir in den Tiefen der Staufächer noch ein altes Insektenspray – das muss jetzt ran. Eine ordentliche Dosis in den Stauraum und Deckel zu – hilft, wie wir abends feststellen können!
Nun geht es weiter – sozusagen einen Forsen weiter flussaufwärts, zum Trollforsen. Wir stellen uns nicht auf den Platz im Norden, sondern fahren über eine gemeinsame Straßen- und Eisenbahnbrücke auf den einsameren und lange nicht so gut besuchten Platz im Süden.
Während gegenüber mindestens 11 Einheiten stehen, haben wir nur einen einzigen Nachbarn – und der fährt am nächsten Morgen weg, so dass wir ganz alleine sind.
Wieder wandern wir am nächsten Tag zum Forsen, der hier allerdings eher mit einer, wenn auch mächtigen, Stromschnelle bezeichnet werden kann. Ich überwinde wieder einmal meine blöde Höhenangst und wir überqueren den Fluss auf eine Hängebrücke. Auf der Insel im Fluss wandern wir dann entlang der donnernden Stromschnellen bis an die Spitze – sehr eindrucksvoll und vor allem einsam, denn wir sehen nicht eine Menschenseele.
Früh morgens setzt Dauerregen ein – und das nicht zu knapp. Es schüttet, regnet und tröpfelt den ganzen Tag. Jokkmokk heißt das heutige Ziel – wieder einmal ist einkaufen und tanken dran, außerdem brauchen wir Frischwasser. Also geht es heute auf die E 45. Der öffentliche Rastplatz am Piteälven, zu dem wir extra einen Abstecher machen, enttäuscht. Zwar kann man hier gut seinen Müll loswerden und Entsorgung genau wie Wasserversorgung sind entgegen der Infos aus dem Netz wieder repariert, aber man hat (absichtlich?) einen derart blöd gestylten Wasserhahn verwendet, an dem man mit allen zur Verfügung stehenden Hilfsmitteln (und das sind bei uns inzwischen so einige!) keinen Schlauch angeschlossen bekommt. Also geht es auf der E 45 weiter nach Norden. Kurz vor Jokkmokk überquert man den Polarkreis. Hier gibt es ein Café mit Souvenirladen – endlich kann ich mein Versprechen einlösen, an meinen Orthopäden eine altmodische Postkarte zu schicken! – und einen seit 2017 immer noch teilweise im Bau befindlichen Stellplatz. An dem Klo befindet sich (das hatten wir völlig vergessen) außen netterweise ein Wasseranschluss mit Schlauch und so füllen wir in einer Regenpause hocherfreut unseren Tank.
Dann geht es hinein in die „Großstadt“: Zuerst zu „Sapmi Ren & Vilt AB“, in einem kleinen Industriegebiet gelegen. Hier füllen wir das Gefrierfach unseres Kühlschranks mit Rentier- und Elchfleisch, außerdem unsere Zargesbox mit Schinken und Räucherwurst. Einkaufen, tanken, System Bollaget und dann ab an den Fluss – auf der E 45 nach Norden bis kurz hinter der Brücke über den Lilla Lulleälven, dann rechts ab und auf Piste rund zwei Kilometer. Wir stehen wie immer am Wasser und genießen die Ruhe und Stille.
Nach zwei „Unruhetagen“ (Fotos sortieren, Blog, Erkundungsspaziergänge…) und einem nochmaligen Einkaufsstopp (Elchhack!) in Jokkmokk geht es auf der E 45 weiter nach Norden bis kurz hinter Porjus. Hier biegen wir links ab in Richtung Stora Sjöfallets Nationalpark. Da wir den aber schon vom letzten Mal ausführlich kennen, bremsen wir nach knapp der Hälfte der Strecke dorthin. Leider bricht in dem Moment, als wir den Abbieger suchen, Google Maps bzw. das GPS zusammen, so dass wir zuerst in den falschen Weg einbiegen. Zuerst danken wir wieder einmal für den schmalen Aufbau des Wagens, aber nach einer T-Gabelung wird es so eng, dass nur noch kleine Pickups durchpassen. Kathrin inspiziert den weiteren Verlauf des Weges und meldet, dass das nix wird. Also rückwärts wieder bis zur Gabelung zurück. Das Quietschen und Knarren an der Aufbauwand meldet lautstark, dass hier schon lange kein Auto unserer Größe mehr lang gefahren ist. Später stellen wir fest, dass alle Striemen und Ratscher dank unserer Keramikversiegelung mit einem Wisch wieder abgehen – Glück gehabt! Dann ist das GPS-Signal plötzlich wieder da, wir finden den richtigen Weg und nutzen endlich wieder einmal die Geländetauglichkeit unserer Exe. Nein, den Allrad brauchen wir nicht, denn der Waldweg, in den wir einbiegen wollen, ist „f…trocken“. Aber von der Straße hinunter auf den Weg zu kommen, das ist das Problem, das Exe aber dank guter Bodenfreiheit und der AT-Reifen ohne Aufsetzer und Rutscher meistert. Dann stehen wir plötzlich am Fluss und bekommen fast den Mund nicht mehr zu – das hier wurde für uns inklusive der Feuerstelle gemacht. Hier verbringen wir die letzten Tage, bevor wir uns wieder gen Süden auf den Weg machen müssen. Das Elchhack wird zu Burgern und die wiederum auf dem Grill zu den besten „Whoppern“, die wir seit langem zwischen den Zähnen hatten!
Dann beginnt der Rückweg. Es geht zuerst wieder wie auf dem Hinweg über Porjus und Jokkmokk zum Polarkreis (Wasser fassen) und weiter nach Moskosel. Auf der Strecke zeigt sich noch eine Elchkuh mit Kalb – dieses Mal ist der Bann gebrochen: Endlich sehen wir Elche und das nicht zu knapp! Natürlich gibt es auch immer wieder Rentiere:
In der Nähe des Ortes übernachten wir zum ersten Mal auf einem Stellplatz, den wir bereits vor drei Jahren angelaufen haben – sieht noch aus wir damals, auch inklusive der extrem hungrigen Mücken! Wir bleiben also lieber drinnen. Weiter geht es auf der E 45 nach Arvidsjaur zum Einkaufen, dann über die 95 und 365 nach Lyksele. Wir sind wieder mehr im Süden – das hier ist ja eine richtige Stadt mit Park und Radwegen! Auf der 353 fahren wir weiter nach Süden bis hinter Knaften. Kurz vor der Brücke über den Örån biegen wir links ab auf eine Piste, um nach rund drei Kilometern rechts auf einem kleinen Weg auf einen phantastischen Platz über dem Fluss, sozusagen auf der „Steilküste“ (fachlich korrekt heißt das glaube ich „Prallhang“?) zu fahren. Es gibt hier nicht nur eine Schutzhütte, sondern sogar eine Feuerstelle mit eingebautem Grillrost!
Heute ist Pistentag. Es geht auf 50 Kilometer nach Borgsjö. Hier treffen wir auf die 90, auf der wir nun inklusive 30 Kilometer Baustelle über Junsele nach Sollefteå fahren. Hinunter geht es am Stadtrand zum Ångermanälven. Hier gibt es eine Menge Platz – stadtnah und ruhig.
Das wissen scheinbar auch noch andere, denn als wir von unserem Stadterkundungsgang zurückkommen (es gibt hier nicht wirklich viel zu verpassen – einzige Besonderheit: Der örtliche Campingplatz ist knackevoll! Warum?), stehen noch zwei Wohnwagengespanne und zwei Wohnmobile dort. Das macht aber nix, denn hier kann man trotzdem Abstand halten. Da heute Wochenende ist, befürchten wir so einiges, denn wir stehen in der Stadt und im ersten Moment scheint das auch nicht unberechtigt, denn es „cruisen“ ein Haufen Autos am Wasser und somit auch an uns vorbei – darunter nicht nur die üblichen „Ist-der-Fluss-noch-da?“ Gucker, sondern auch einige bassgetriebene und aufgedonnerte Altautos, fahrende Discos sozusagen, blubbernde Amischlitten und Chopper. Außerdem natürlich noch die „Schaut-mal-was-ich-kann“ Jetskifahrer, die auch nicht komplett lautlos sind. Aber man ist hier scheinbar gut erzogen, denn pünktlich um 23 Uhr ist auf einmal alles still – und das bleibt die ganze Nacht über so! Erstaunlich, das kennen wir vom Festlandeuropa aber auch ganz anders!
Noch ein Pistentag: Über die 87 und 86 geht es nach Liden. Von hier aus geht es über verschiedene Pisten (insgesamt über 120 km) und mal mehr, mal weniger guten Asphalt (Tipp: Die wunderschöne Strecke zwischen Sandnäset und Torpshammar – Bilderbuchschweden pur!) nach Larforsen und zur 84. Wir sind schon reichlich frustriert, denn hier, weiter südlich, sind alle Seen fest in Ferienhausbesitzerhand. Es gibt hier keine vernünftigen Stellplätze – selbst die Badestellen sind meist mit einem Übernachtungsverbot gekennzeichnet. Kurz vor dem Ort (und gerade wieder auf Asphalt!) kommen wir plötzlich und unerwartet an einem schönen Naturcamping vorbei. Hier bleiben wir doch. Die 100 SEK Gebühr soll man mithilfe eines QR-Codes zahlen, aber schon bei der Registrierung streikt das Internetformular, da es bei der nötigen Angabe der Telefonnummer unsere deutsche Nummer nicht akzeptiert. Da auch niemand vorbei kommt, stehen wir eben umsonst hier. Ein netter Schwede, der hier mit seinem Wohnmobil steht und auf seine Frau wartet, die hier in der Nähe in einem Café arbeitet, meint, dass das mit den Bezahlproblemen für ausländische Touristen durchaus bekannt sei. Früher hätte hier ein Bezahlautomat gestanden (der ist auf der Infotafel auch noch eingezeichnet), aber nachdem der viermal leergeräumt worden sei, hätte man ihn abgebaut. Wer unbedingt möchte, könnte im nächsten Ort an der Tankstelle bezahlen. Da das aber nirgendwo steht…?
Die Tanke finden wir m nächsten Morgen tatsächlich nicht! Es geht über Karböle und Los nach Voxna, Edsbyn und Aftar. Dann weiter über Annefors und Gruvberget zum überraschend touristischen Jädraås. Hier gibt es nämlich eine aktive Museumseisenbahn, die auch gerade zusammen mit uns schnaufend (also die Bahn) im Ort ankommt. Eigentlich wollen wir hier auf einen Anglerstellplatz am See, aber der ist komplett voll und sieht aus wie ein Campingplatz. Nebenan kann man zwar auf einem großen, freien Platz stehen, aber der erinnert uns zu sehr an einen stillgelegten Truppenübungsplatz – nix für uns! Also fahren wir weiter über Järbo nach Kungsgarden. Über die E 16 geht es zur 68 bis Horndal und von hier auf immer kleiner werdenden Straße über Näs bruk, Björk und Hovnäs in den Nationalpark Färnebofjärden. Hier gibt es einen Parkplatz am Fluss mit Schutzhütte, Trockenklo und Feuerstelle – nicht so einsam, aber schön naturnah. Hier bleiben wir noch einen letzten Tag und genießen das Schweden, das wir in den letzten viereinhalb Wochen wieder so lieben und schätzen gelernt haben, bevor es auf großen Asphaltstraßen in zwei Turns wieder nach Trelleborg geht.
Übermorgen geht die Fähre und danach erwarten uns zwei Wochen Quarantäne. Wir hatten zwar gehofft, dass sich während unserer fünf Wochen irgendwas tut – schließlich hat Schweden seit mehr als zwei Wochen weniger als die magischen „50 pro 100000“, aber es tut sich einfach nichts. Die Zahlen des RKI sind mit Stand vom 3.7.2020 seit zwei Wochen immer noch dieselben, also was soll’s: Gehen wir eben nach fünf Wochen Wildnis und Einsamkeit in Quarantäne, während die feiernden Mallorca-Urlauber bei ihrer Rückkehr ohne nötige „Absonderung“ hoffentlich keine zweite Welle herauf beschwören!
Heeee – gerade eben (Stand 14. Juli, 14.22 Uhr) kommt die Meldung im Liveblog der Tagesschau, dass Schweden ab jetzt kein Risikoland mehr ist! Puh, ist also unsere Rechnung kurz vor Schluss doch noch aufgegangen, denn – wie gesagt – übermorgen geht die Fähre!