Schließlich beruhigt sich das Wetter und am dritten Tag ist der Wind weg, der Himmel wieder blau, die Temperaturen liegen bei 21°C und die Sonne lacht. Dann kommt auch noch ein freundlicher Mitarbeiter und liefert warmes, frisches Brot direkt ans Auto – was will man mehr? Der Mitarbeiter ist übrigens Inder und begrüßt uns tatsächlich mit „Hello my friend!“ – es fehlt nur noch der Zusatz „Wolle Rose kaufe?“ – es lebe der Stereotyp! Kathrin ist fleißig, nutzt das schöne Wetter sofort aus und erledigt die Wäsche. Am Abend wird bei so einem Wetter natürlich der Grill angeworfen, das ist ja wohl klar, und vor allem: Gestern war Volkstrauertag, die trübste Woche in Deutschland beginnt und wir sitzen hier bei Grillfleisch, Salat, frischem Brot und Retsina, geil!!
Am nächsten Tag machen wir Exe für einen Ausflug klar und erkunden die nächste, größere Stadt: Amaliada. Parken in griechischen Orten ist immer ein Problem, erst recht mit einem Reisemobil. Wir aber haben Glück und finden ein Plätzchen auf einem Abbruchgrundstück und das sogar relativ stadtnah! Ab in die Innenstadt und wie drückt es meine Kathrin aus: „Hat etwas Morbides, das liegt aber nicht an den antiken Ruinen!“ Es gibt durchaus ein paar schöne Ansätze – hier so etwas wie eine Plaka, dort etwas, das aussieht, als könnte es mal eine Fußgängerzone gewesen sein, so mit einem halben Dutzend Restaurants, aber… Na ja, wir verlassen die Stadt und halten an einer Shell-Tankstelle, an der ich schon beim letzten Einkauf eine Waschanlage mit Hochdruckreinigern gesehen hatte. Der Wagen ist inzwischen so verdreckt, dass wir uns kaum trauen, die Griffe anzufassen, da muss was getan werden. Gedankenverloren bewege ich mich in Richtung Mitarbeiter (wie mache ich dem Mann klar, dass er wegen der Versiegelung nur mit Wasser und Druck arbeiten darf und wie, dass er gar nicht erst zu versuchen braucht, den Teer vom Auto zu entfernen, nur der „normale“ Dreck soll runter – den Teer erledigt später die Versiegelungsfirma fachgerecht, wenn wir wieder zu Hause sind), als mich eine wartende Kundin plötzlich in akzentfreiem Deutsch anspricht. Eine Griechin, in Hamburg geboren und aufgewachsen (der Vater hat bei Airbus gearbeitet), dann mit den Eltern nach Süddeutschland umgezogen und auch dort studiert (Anwältin), lebt nun in Amaliada. Sie hat in Hamburg und Berlin promoviert und schwärmt (da freut sich der Norddeutsche!) immer noch von der norddeutschen Mentalität, der sie wegen der Toleranz und freien Denkweise zu verdanken hätte, dass sie sich als Frau selbstbewusst in Griechenland hat durchsetzen können! Sie hilft beim Übersetzen und da sie Stammkundin ist, wirft sich der Reinigungsmeister aber so richtig ins Zeug. Das Problem ist, dass er natürlich trotzdem versucht, den dicken Teerbelag (ihr erinnert euch? Baustelle in der Türkei?) mit dem stärksten Hochdruckreiniger runter zu bekommen. Das gelingt ihm auch an einigen Stellen – an einer Stelle jedoch so gut, dass der Lack gleich mit aufgegeben hat. Da müssen wir wohl nochmal mit der Lackiererei sprechen!
In der Nacht gibt es ein absolut heftiges Gewitter mit Orkanböen – reichlich unerwartet, denn die Wetterapp hat sowas überhaupt nicht vorhergesehen – kurz vor dem ersten Knall kam dann erst die Unwetterwarnung.
Das war dann schon ganz ordentlich, geschlafen haben wir eine Weile nicht – so etwas mit tausenden von Blitzen, ohrenbetäubendem Donner und sintflutartigem Regen haben wir bisher nur in den Tropen oder bei uns in der amerikanischen Wüste erlebt! Am Morgen ist der Himmel wieder blau, als wäre nichts geschehen. Einige Bäume auf dem Campingplatz sehen das sicher anders, denn die hat’s umgehauen. Nach einem Strandspaziergang mit Besichtigung der Schäden (es hat auch Terrassendächer der umliegenden Ferienhäuser erwischt!) sitzen wir gemütlich draußen, belagert von mindestens acht Babykatzen, die uns als Schmuse-, Spiel-, Aussichts- und Futterpunkt erkannt haben.
Am folgenden Tag machen wir eine Radtour (wir haben unsere Falträder als „Dingis“ mit dabei) auf kleiner Straße durch Olivenhaine nach Arkandi, dem Nachbarort. Ein nettes, kleines Dorf, allerdings ist auch hier außer einem einzigen Restaurant alles geschlossen. Das hat dafür aber eine Superaussicht auf Strand und Meer. Wir fahren noch weiter nach Loutra Kilini. Das „Thermalbad“ entpuppt sich als Ansammlung zweier Hotels, einer großen (geschlossenen) Ferienanlage und einem (ebenfalls geschlossenen) „Badehaus“. Auf dem Rückweg halten wir in Glyfa und kaufen im Dorfladen ein – der junge Besitzer ist ganz begeistert, scheinbar ist es schon länger her, dass Touristen bei ihm im Laden waren! Als wir am nächsten Tag noch einmal dort etwas kaufen, bekommen wir rund 2,5 kg Orangen geschenkt – unser Vitaminhaushalt dürfte in der nächsten Zeit keinen Mangel erleiden. Am letzten Tag unseres Campingplatzaufenthaltes bekommen wir wieder Nachbarn: Unsere „Schmuse-Schweizer“ mit ihrem LT stellen sich neben uns und wir genießen wieder die professionellen Erziehungsversuche und das ständige „Ratsch-Bumm“! Kathrin schafft noch einen Rekord zum Abschied: Fünf Babykatzen gleichzeitig auf dem Schoß!
Nun geht es weiter nach Olympia. Wir kommen etwas verzögert los, denn es ist Sonntag und wo ist der brave Grieche dann? Richtig, in der Kirche! Um 11.15 Uhr kommen wir endlich weg und sind auf der 9 bis kurz vor Pygros unterwegs. Hier geht es links ab auf die 74 und bei Flakas auf die Zufahrtsstraße nach Olympia. Bald stehen wir auf dem relativ kleinen Parkplatz vor der Ausgrabungsstätte und dem Museum und fragen uns, wo und wie denn wohl hier in der Saison geparkt wird? Egal – ab in die Ruinen, danach ins Museum und in gut zwei Stunden sind wir durch.
Hier waren wir vor 40 Jahren auch schon und so wahnsinnig begeistern kann uns das hier nicht. Anschließend suchen wir einen Stellplatz, aber wie das so in Touristenorten ist: Jede Menge Verbotsschilder! Da wir aber unbedingt wieder einmal essen gehen wollen, ignorieren wir die Schilder am Bahnhof (extra für die Kreuzfahrtouristen renoviert und erneuert – der Bahnhof, nicht die Verbotsschilder!)
und finden einen tiefer angelegten Zusatzparkplatz: Einigermaßen sichtgeschützt und komplett leer – hier bleiben wir.
Wir bummeln durch den Ort, das kleine „Archimedes-Museum“, das wir dabei entdecken, macht leider gerade zu, da müssen wir morgen hin. Plötzlich stehen wir vor dem Restaurant Pheidas, sehr „intim“ – gerade einmal sechs Tische! – dafür aber mit sehr agilen und geschäftstüchtigen Besitzern, denn wir hatten bereits eine Werbung am Museumsparkplatz unterm Scheibenwischer und auf unserem Stellplatz auch – da standen wir gerade einmal seit 5 Minuten! Es duftet nach Grill und wir haben „Fleischeslust“, außerdem ist es das einzige Restaurant, das voll ist mit griechischen Gästen! Also rein da und wir bereuen es nicht: Sehr leckere Dolmadakia als Vorspeise, dann eine Grillplatte mit Fleisch satt, Zaziki, Tomaten und Zwiebeln, Pommes, Pitabrot und einem sehr leckeren Hauswein. Als die Bedienung sieht, das der Wein alle ist, gibt es Nachschub auf Kosten des Hauses und als Abschiedsgeschenk jeweils 5 kg (!) Grapefruit und Orangen – sehr, sehr zu empfehlen, das Restaurant!
Die Südfrüchte sollen uns allerdings noch für über zwei Wochen beschäftigen: Morgens als Saft und im Müsli, mittags als Snack und abends als Nachtisch – kein Vitamin C Mangel! Als wir total beladen am Parkplatz ankommen, haben wir Nachbarn bekommen: Ein französischer Peugeot Expert, selbst ausgebaut und innen drin zwei sehr nette Bretonen – Christine (Deutschlehrerin) und Marco (Berufsschullehrer für Elektrik). Den drehen wir erstmal ein paar Orangen und Grapefruits an, später verbringen wir einen sehr unterhaltsamen Abend bei uns im Wagen.
In der Nacht gab es erneut ein schweres Gewitter und nun gibt es zum Frühstück frischen, sauren Pampelmusensaft und viel Apfelsine mit Joghurt – weshalb eigentlich? Vormittags besuchen wir zuerst das Museum der „Olympischen Spiele“, danach das kleine, aber sehr interessante und liebevoll gestaltete Archimedes-Museum. Es behandelt alle Entdeckungen und Erfindungen des Archimedes und finanziert sich nur durch Spenden. Gegen Mittag brechen wir auf in die Berge.
Zuerst geht es auf kleiner Straße nach Krestena. Dort biegen wir ab auf die 76. Nun geht es immer bergan auf 700 m und durch das im Marco Polo als schönstes und authentischstes Bergdorf des Peloponnes beschriebene Andritsena – schön ja, auch nicht vermüllt, aber authentisch? Jede Menge Restaurants, Gästehäuser und Hotels sprechen da eine andere Sprache. Von hier aus geht es auf noch kleinerer Straße weiter bergauf zum Epikurous Tempel in Bassai auf 1150 m Höhe. Ab 900 m Höhe sind wir in den Wolken und am Tempel selbst ist es stürmisch und entsprechend feucht. Wir sind total alleine, aber im Kassenhäuschen sitzt tatsächlich jemand und kassiert 3 € pro Person. Dann kommt die Überraschung: Der gesamte Tempel befindet sich in einem Riesenzelt und ist so vor Wind und Wetter geschützt. Das ist wirklich der besterhaltene Tempel, den wir seit der Akropolis gesehen haben! Da das Zelt aber schon etwas älter ist, die ganze Anlage auf einem Gipfel steht und es hier wohl häufiger etwas stürmischer zugeht, ist die Plane an einigen Stellen eingerissen, was die ganze Szenerie ein wenig unheimlich macht: Der Wind greift unter die Plane, die laut knallt und kracht, gleichzeitig treiben neblige Wolkenfetzen durch und um das Zelt und der Wind rauscht und heult – da denkt man nicht so sehr an Aphrodite, Hermes oder Dyonisos, sondern mehr an Thor, Odin oder Wotan!
Auf alle Fälle ist der Abstecher hier herauf sehr eindrucksvoll und unbedingt zu empfehlen.
Wieder zurück in Adritsena, zuckeln wir weiter, bis wir direkt an der Alpheios Schlucht und genau gegenüber von Karitena und der Burg einen schönen Stellplatz finden. Kurz vor dem Abendbrot kommt noch eine Ziegenherde auf Besuch, dann ist Ruhe.
Am nächsten Tag fahren wir zuerst entlang der Schlucht, bis wir dieselbe auf einer Brücke überqueren und auf eine kleine Straße in Richtung Dimitsana abbiegen.
Die Strecke steigt wieder auf 1100 m an und führt durch malerische und sehr gepflegte Bergdörfer. Die Aussicht muss phantastisch sein, aber leider haben wir einen Regentag erwischt – zum Teil mit wolkenbruchartigen Schauern. Ein oder zweimal reißt die Wolkendecke auf und gibt den Blick auf Täler und umliegende Berge frei und man ahnt etwas von der Schönheit dieser Gegend. Die Durchfahrten in den Dörfern sind größtenteils einspurig und extrem eng – vor allem, weil griechische Autofahrer ein Gespür dafür haben, ihre Autos genau an den Stellen „kurz“ abzustellen, wo sie am meisten stören und ganz bestimmt keiner mehr dran vorbeikommt.
Also gibt es jedes Mal ein großes Gehupe und Palaver, aber wir haben ja alle Zeit der Welt! Hinter Louvro wird die Straße dann plötzlich vierspurig und es geht auf toll ausgebauter Straße immer bergab nach Pygros. Der Shortcut zur 9 bringt uns direkt zum Lidl-Parkplatz, auf dem wir gut 30 Minuten lang ausharren, bis der wolkenbruchartige Regen soweit nachlässt, dass wir in den Laden sprinten können. Nach dem Einkauf haben wir noch einmal Glück, so dass wir alles trocken einladen können, danach schüttet es aber munter weiter. In Zahors biegen wir von der 9 an den Strand ab und nach etwas Suchen (Entscheidungsschwäche!) stehen wir wieder einmal direkt am Strand.
Nach einem Ruhetag fahren wir auf der 9 weiter nach Süden. In Kalo Nero füllen wir zum ersten Mal seit Österreich unseren Gastank auf – das Kontrollbord zeigt zwar noch ¼, aber wir wissen inzwischen, dass die Anzeige gen Ende ungenau wird. Mehr als 10 l bekommen wir aber nicht hinein, das ist also der Gasverbrauch in 3 ½ Monaten für Herd und Backofen. Der Tankwart entspricht wieder einem Stereotyp, denn er hat (in Düsseldorf) Philosophie studiert – der „alternative“ Philosophenberuf in Ländern ohne Tankwart ist ja Taxifahrer! In Kiparissia, der bisher nettesten und saubersten Kleinstadt an der Küste, bummeln wir durch die Innenstadt sowie an Hafen und Strand entlang und finden zu Kathrins Freude sogar ein Wollgeschäft. Weiter geht es, bis wir schließlich in Richtung Agrilos und Strand abbiegen. Am Wasser entlang führt eine Piste nach Norden (Landwirtschaft) und hier finden wir wieder unser abgeschiedenes Plätzchen am Strand.
Nach einer Nacht mit wirklich sensationellem Sternenhimmel und einem Luxusfrühstück mit Serranoschinken und Leberpastete vom Wildschwein mit Preiselbeeren besteigen wir unser „Arbeitszimmer“ und meine Kathrin kann nicht glauben, was sie da sieht: Ein wunderschöner, waagerechter Riss zieht sich durch die Windschutzscheibe!
Das ist bereits die dritte Scheibe in noch nicht einmal drei Jahren! Das besondere dieses Mal: Wir hatten keinen Steinschlag und gestern war der Riss auch noch nicht da! Das passiert also inzwischen scheinbar schon von ganz alleine! Eindeutig ein Spannungsriss – vielleicht durch den großen Temperaturunterschied, denn in der letzten Nacht war es nach einem warmen Tag zum ersten Mal richtig frisch. Schließlich hat Exe seit dem letzten Scheibentausch im Mai dank des Supersommers noch gar keine Kälte erlebt!
Egal, wir fahren nach Kalo Nero zurück, denn wir wollen heute wieder einmal Kulturelles erleben. Wir biegen ab auf die 9A und fahren bis Zevgolatio. Von dort geht es weiter nach Meligolos und Neohori. Hier gibt es einen Dorfplatz, der als Kreisverkehr gekennzeichnet ist und von dem fünf kleine Sträßchen abgehen. Wenn man richtig abzählt und sich danach nicht in der engen Durchfahrt festfährt, ist man auf der Straße nach Mavroumati. Kurz vor dem Ort fährt man mitten durch das arkadische Tor, das zur ältesten Stadtmauer Griechenlands (1. Jahrhundert v.Chr.) gehört. Kathrin springt raus und macht tolle Bilder von Exe während der Durchfahrt.
Die Mauer ist auf rund 9 km erhalten und sieht überhaupt nicht wie eine Stadtmauer aus. Sie führt über Berge und durch Olivenhaine und Wald – deshalb erinnert sie uns mehr an einen Abschnitt der Chinesischen Mauer!
Direkt am Ortseingang befindet sich das archäologische Museum und dort zweigt auch die Straße zum alten Messine ab. Wir suchen uns eine Haltebucht am Busparklatz zwischen alten Olivenbäumen und sind für die nächsten drei Stunden beschäftigt: Wirklich gut erhaltene Ruinen, vor allem das Theater und noch mehr das Stadion (Olympia ist nix dagegen!), das Ganze vor großartiger Naturkulisse mit Blick auf die Küste von Kalamata – passt!
Beim Verlassen fragen wir noch, ob wir hier über Nacht stehen bleiben können – no problem, you’re welcome! –
und laufen hoch zum kleinen Museum, denn wir haben ja Zeit!
Nach dem Essen (es gibt getrüffelte Tortellini in Sahnesauce!) sitzen wir bei geöffnetem Fenster, genießen griechischen Rotwein und lauschen den Schakalen, die sich seit Nordgriechenland von Zeit zu Zeit melden – sie erinnern an unsere amerikanischen Kojoten, ihr Geheul ist aber heller. Was für ein Abend!