Von Kurikka nach Naantali

Weiter geht es nach Kurikka, denn heute ist wieder einmal Camping angesagt. Bei Park-4-Night finden wir einen netten, ansprechenden Platz und da fahren wir hin – der soll das ganze Jahr über offen sein. Schon folgt die nächste Überraschung, denn als niemand erscheint, gehe ich zur Tür mit dem Schild „Rezeption“, die ist auch offen, dahinter aber befindet sich ein großes Schlaf- und Wohnlager und auch das nicht gerade in ordentlichstem Zustand. Wir sehen uns weiter um. Überall stehen große Kochtöpfe herum, die Gemeinschaftsküche ist in starker Benutzung, die Bioabfälle bestehen aus großen Mengen von Reis und Gemüse, viele Zettel an den unterschiedlichsten Stellen offenbaren eine verschnörkelte Schrift, die uns… Moment! Das ist doch thailändisch!? Als wir um die Ecke kommen, löst sich das große Fragzeichen über unseren Köpfen auf: Da wohl die Campingsaison hier für beendet erklärt wurde, ist das gesamte Gelände nun Unterkunft und Arbeitsplatz einer thailändischen Moltebeeren-Sammeltruppe! Unter großen Pavilliondächern werden hier die Beeren sortiert, gereinigt und verpackt. Bilder der Chefs und Vorarbeiter „zieren“ die Rückwände und sollen den Arbeitern wohl mitteilen, wer hier das Sagen hat.

Okay, also fahren wir weiter über die 3 nach Jokipii und von dort über die 672 zu einem 4-Sterneplatz des SFC Kalajärvi bei Peräseinäjoki. Der ist nicht nur offen, sondern auch recht gut besucht – ist ja auch wieder Freitag! Die nette Dame in der Rezeption kann leider nur Finnisch, schnappt sich aber sofort das Handy, um einen Stammgast, der etwas Englisch kann, herbeizurufen. Bis der kommt, herrscht ein paar Minuten lang verlegenes Anlächeln und Schweigen. Dann erscheint eines dieser auch hier inzwischen seltenen Originale: Ein freundliches Lächeln offenbart viele Zahnlücken, der verbliebene Rest sieht so aus, als würde er verzweifelt ums Überleben kämpfen. Er atmet mich an und ich kann mit Sicherheit behaupten, dass dieser Mann alkoholtechnisch nicht mehr alleine ist! Aber sein Englisch reicht vollkommen aus, er hilft nach Kräften, ist extrem nett, aber es dauert eben. Als wir alle bürokratischen Hürden beseitigt und sogar einen reservierten Termin für Waschmaschine und Trockner in der Tasche haben, läuft er strahlend voraus und zeigt uns den Platz, der wohl für uns als einzige ausländische Gäste bestimmt wurde: Ein Spitzenplatz mit Seeblick, wirklich toll!

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Direkt nebenan gibt es ein Restaurant, das um 19 Uhr öffnen soll, das probieren wir aus. Wir „darben“ also bis dahin, begeben uns mit knurrendem Magen hinüber und bekommen vom Wirt, der immerhin Englisch spricht, einen „Korb“. Heute ist nur die Bar und vor allem die Karaokeanlage in Betrieb, Essen gibt es erst morgen wieder. Wir ahnen Schlimmes…Karaoke! Ist aber alles halb so wild, denn die Lautstärke ist gemäßigt und um Mitternacht ist Ruhe. Wir bzw. Kathrin macht uns schnell Fertig-Tortellini, mit ein wenig Sahne, Basilikum, Pfeffer und geriebenem Parmesan durchaus mehr als ein Notbehelf!

Heute ist wieder „Arbeitstag“, also vor allem Wäsche waschen, gründlichste Körperpflege und Brot backen. Während der Teig Zeit im warmen Ofen zum Gehen hat, gehen auch wir, allerdings auf Umgebungserkundung durch ein kleines Naturschutzgebiet entlang des Sees an kleinen Weihern vorbei und durch Wald – hier muss es im Sommer eigentlich vor Mücken nur so wimmeln!

Auf dem Rückweg laufen wir durch den Ort – wie alle finnischen Siedlungen und Städte sind die eher einfach und zweckgebunden gehalten – hübsch oder heimelig wären als Beschreibung eher nicht angebracht. Dann wandert das Brot in den nun heißen Ofen und wir haben Zeit für uns und ein kühles Bier. Um 17.30 Uhr geht es wieder ins Restaurant und dieses Mal ist alles wie versprochen – es gibt zwar lediglich Pizza und Burger, aber die sind von wirklich guter Qualität und die „begleitenden“ Pommes sind tatsächlich handgemacht und ebenfalls lecker. Dazu ein lokales Bier („Karhu“, das heißt „Bär“) vom Fass – der Wirt grinst, als ich zwei große Biere bestelle und meint lediglich: „I know, you’re German!“ – und die Welt ist in Ordnung!

Der Himmel ist blau – also reisefertig machen, 160 l Wasser fassen (der Tank war richtig leer!) und ab auf die Straße. Es geht über die 672 und 18 nach Ähtäri und Väataiskylä. Dort fahren wir auf die 633 nach Saarijärvi und die letzten 20 km auf der 6510 zum Pyhä Häkin Nationalpark. Wir haben Glück und bekommen noch einen Parkplatz – ich erinnere an Kathrins Spruch „Am Wochenende geht der Finne wandern“. Laut Reiseführer ist dies hier der älteste Nationalpark Finnlands. Hier findet man eine fast 500-jährige Kiefer mit einer Höhe von 26 m, die leider bereits im Jahr 2004 für abgestorben erklärt wurde. Ihren Platz eingenommen hat nun ein knapp 300 Jahre alter Baum, der mit 24 m Höhe auch nicht viel kleiner ist. Wie viele Parks hat auch er interessante Rundwege, hier sogar in verschiedener Länge (1,8 km; 3,6 km; 6,8 km und 17 km), super ausgeschildert und sehr gepflegt.

Wir entscheiden uns für die 6,8 km lange Tour und werden nicht enttäuscht. Knapp zwei Kilometer vor Ende des Rundwegs passieren wir die Grillhütte und wissen jetzt auch, weshalb der Parkplatz derart voll ist: Läuft man anders herum, dann ist man auf rollstuhlgerechtem und kurzem Weg am Grill und das wird ausgenutzt, denn hier wird gefeiert! Wir hatten uns am Parkplatz schon gewundert, als zwei PKW weiter eine muntere Runde mit Sektgläsern stand und extrem guter Dinge war – das erschien uns als Vorbereitung für eine Wanderung doch etwas ungewöhnlich…andererseits sind wir in Finnland!? Nach knapp zwei Stunden sind wir wieder zurück, eine halbe Stunde später beginnt die große Abreisewelle und schon tut sich ein etwas abgelegener Randparkplatz für uns auf – perfekt. Kurz darauf ist der Parkplatz leer, dann jedoch kommen noch drei Mobile, um mit uns hier die Nacht zu verbringen. Wir „genießen“ den Abend mit Hilfe des Internets und schauen uns die Ergebnisse der Bundestagswahl an. Wir haben wegen unserer Tour unsere Stimmen ja schon längst per Briefwahl abgegeben (laut Wählerverzeichnis als die Nummern 1 und 2!) und freuen uns, das ganze Spektakel mit gebührendem Abstand verfolgen zu dürfen.

Der Himmel ist immer noch blau, die Herbstfärbung (Ruska) ist atemberaubend schön, uns hält nichts mehr. Es geht auf kleiner Straße nach Multia, als ich aus dem Augenwinkel in der Rückfahrkamera sehe, dass mit den Rädern auf dem Träger etwas nicht stimmt: Die geschraubte Halterung an meinem, dem äußeren Rad hat sich gelöst und dasselbe hängt nun nur noch „in den Seilen“ – sprich: An den sichernden Spanngurten. Das Rütteln auf den verschiedenen Pisten fordert wohl seinen Tribut – dabei habe ich fast täglich kontrolliert! Das Problem: Von unten kommt man an das Rad gar nicht ran, erst muss der Träger per Kurbel abgesenkt werden. Damit das möglich ist, müssen aber die Spanngurte gelöst werden, die das Rad noch halten. Ihr ahnt, was passiert? Richtig: Absturz! Zwar nicht aus voller Höhe und dank Kathrins Einsatz (blauer Fleck!) stark abgemildert , aber doch so massiv, dass der hintere Teil des Gepäckträgers samt Rückleuchteneinheit abbricht! Sch…., aber nun einmal nicht zu ändern. Wir sichern die Reste des elektrischen Anschlusses so gut es geht per Plastiktüte gegen eindringende Feuchtigkeit, dann laden wir wieder auf und sichern nochmals verstärkt. Weiter geht’s auf 20 km Piste, bevor wir auf die 627 und in Multia auf die 58 abbiegen. Wenige Minuten später stehen wir auf einem wunderschönen Angelplatz bei Housokoski. Die Sonne scheint bei 15° im Schatten, also Hocker in die Sonne, Regencape über den Kopf und dann erfolgt der seit langem fällige Haarschnitt für uns beide. So ist das eben – man muss manchmal warten, bis alles passt! Anschließend können wir noch zwei Stunden in der Sonne sitzen – die Temperatur steigt sogar noch auf 16° – hey, wir sind im Süden! Kathrin liest vor, was das Internet so an Kommentaren zur Wahl liefert, dazu einen Becher Kaffee, herrlich!

Der dritte Tag mit blauem Himmel in Folge! Straßenlärm war dann doch zu hören, etwas Rauschen vom Fluss, ansonsten Stille. Heute soll es in den nächsten Nationalpark gehen. Also zurück nach Multia und weiter auf der 58, dann auf der 23 nach Westen bis hinter Virrat, wo wir auf die 65 nach Süden abbiegen. Eine 20 km lange Schotterpiste bringt uns hinüber zur 332 und diese führt zum Seitseminen Nationalpark. Am nördlichen, großen Infocenter schauen wir erstmal blöd aus der Wäsche: Gesperrt, hier wird ordentlich gebaut! Ohne die erwünschten Informationen fahren wir ein wenig verstört auf der Parkstraße 7 km nach Süden bis zum dortigen Parkplatz, sozusagen zum unteren Eingang in den Nationalpark in Kovero. Der Platz hier ist sogar speziell für Mobile und Wohnwagen beschildert, er ist geräumig, es gibt Infotafeln und auch wieder einen schönen Rundweg, der ab hier startet, also doch wieder alles gut. Gut 2 ½ Stunden später sind wir wieder zurück, schön und abwechslungsreich war es auch wieder. Die Parkleute verstehen es gut, die Rundwege so anzulegen, dass sie stets durch unterschiedliche Biotope führen, also z.B. durch Fichtenwald, Pinienhochwald, Hochmoore, an Seen entlang und hier gibt es sogar Fichtensumpfwälder – vorher noch nie davon gehört!

Weiter geht es zum nächsten Nationalpark. Über Parkano und Kankaanpää geht es auf der 44 südwärts bis Kikikouiren. Über die 2470 und 2481 gelangt man schließlich zum Puurijärven-Isonsuon Nationalpark, hauptsächlich interessant für Ornithologen. Ein 1,6 km Spaziergang führt zu Plattform und Turm am Rande eines Feuchtgebietes (früher war da mal ein See). Wir sehen vor allem reichlich  Singschwäne und Enten, sonst tut sich nicht viel, was zu dieser Jahreszeit aber auch nicht verwunderlich ist.

Ein versuchter Mittagsschlaf lehrt uns, dass ein Parkplatz am Nationalpark nicht unbedingt bedeutet, dass es hier ruhig ist. Der Verkehr auf der nahe gelegenen, eigentlich kleinen Straße veranlasst uns, Exe noch einmal auf einen kleineren, am zweiten Vogelturm des Parks gelegenen Parkplatz umzustellen, denn hierher kommt man nur über mehrere Kilometer Piste. Uns umfängt wieder himmlische Ruhe.

Morgens gibt es ein „Arbeitskonzert“ der zu den Futterplätzen fliegenden Singschwäne. Heute soll es (zumindest ist es so geplant) zum letzten Nationalpark hier in Finnland gehen. Also geht es über die 12 nach Huittinen und auf der großen 2 nach Forssa. Südlich davon liegt der Liesjärven Nationalpark und dort lassen wir den nördlichen, ausgeschilderten Parkplatz und Zugang im wahrsten Sinne des Wortes links liegen, sondern fahren drei Kilometer weiter und dort auf kleinerer Piste zum Parkplatz am Kyynärä Badeplatz. Hier stehen wir topgerade auf einem recht großzügigen Parkplatz mit Trockenklo.

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Das ist wichtig, denn unsere TTT muss wieder einmal geleert werden und der halbkompostierte Inhalt ist eine Auffrischung der manchmal schon arg mitgenommenen Trockenklos auf den Plätzen hier. Auch hier gibt es einen interessanten Rundwanderweg. Er führt wieder auf einem Moränenrücken zwischen zwei Seen hindurch und dann rund um eine Halbinsel mit einem erhöhten, auf einem Felsen gelegenen Aussichtspunkt. Tja – 20 Jahre nach Anlage des Weges ist von Aussicht allerdings nicht mehr wirklich die Rede, denn die Bäume verdecken inzwischen erfolgreich jede Sicht auf den See. Schön ist es trotzdem und nett angestrengt sind wir wiederum gute zwei Stunden später zurück.

Am nächsten Tag kaufen wir in Somero wieder einmal gründlich ein, bevor wir auf kleineren Straßen um Turku herum fahren. Einen Zwischenhalt legen wir in Mynämäki ein, da plötzlich im Armaturenbrett zwei Leuchten gleichzeitig Bedürfnisse unserer Exe anzeigen, als hätten sie sich abgesprochen: Wir brauchen Adblue und Scheibenwaschflüssigkeit (mit Frostschutz) und da inzwischen auch hier so gut wie alle Tankstellen nur noch Automatenbetrieb bieten, muss man erst einmal kurz überlegen, wo man diese „Stöffchen“ nun eigentlich jetzt bekommt. Ganz einfach: Am Imbiss daneben, wie uns ein freundlicher Mechaniker erklärt, der gerade vorbei fährt und meinen suchenden Blick bemerkt. Für die nächsten zwei Tage ist Pause bei uns angesagt, die wollen wir auf einem kleinen Campingplatz an der Schärenstraße südwestlich von Turku einlegen. Also geht es auf kleinerer Straße und vielen Brücken hinaus auf die Insel Mussalo im sogenannten Schärengarten und dort zum gleichnamigen Campingplatz. Wir bekommen wieder einen wunderschönen Stellplatz direkt am kleinen Bootshafen mit Meerblick, es ist supergemütlich hier. Der Platz ist liebevoll gepflegt, alle Einrichtungen sind in hervorragendem Zustand – hier gibt es wirklich nix zu meckern!

Und was auffällt: Alle Leute grüßen plötzlich freundlich, sogar schon auf Entfernung und lächeln dabei!? Ist das schwedischer Einfluss? Wie schon öfter erwähnt: Finnen sind nicht grundsätzlich unfreundlich. Hilfsbereit auf Nachfrage sind sie alle und wenn man erst einmal mit ihnen gesprochen hat, dann grüßen sie auch zurück – aber wie hier so ganz ohne Grund lächelnd grüßen? Das hatten wir bisher in Finnland selten!

Nach einem weiteren Zwischenhalt auf dem großen Bootshafen von Iniöntie (Brot backen)

vollenden wir am nächsten Tag unsere Rundstrecke auf der Halbinsel Leonsaari, dann geht es auf der 192 über Taivassalo und Rautila bis hinter Pyhe. Hier biegen wir rechts ab und fahren auf die Halbinsel Otava. Schließlich geht es auf der 189 die letzten Kilometer nach Naantali. Auf der großen Brücke ins Zentrum winken wir schon einmal unserem Fährschiff zu, bevor wir uns wieder einmal zum Einkaufen begeben. Dann noch volltanken (auf den Inseln ist es fast immer teurer!) und schließlich geht es wieder ein Stückchen zurück zum Badeplatz von Isokylä, neben dem Golfplatz gelegen.

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Ringsherum wilde Bauaktivitäten – wer weiß, wie lange es diesen kleinen Badeplatz noch geben wird? An den Häusern kann man leicht erkennen, dass hier wohl auch die Hauptklientel des Golfplatzes zuhause ist und wie lange die sich das „normale Volk“ an der Badestelle wohl noch gefallen lässt?