Kleine Stellplatzgeschichte und -philosophie

Boom: Es gibt immer mehr Wohn-/Reisemobile, die auf nicht unbedingt mehr werdende Stellplätze wollen. Das freie Stehen ist auf eine Nacht begrenzt und im eng besiedelten Mitteleuropa nicht immer erfreulich und/oder wünschenswert. Der Stellplatzsuchende wird nun häufig mit einem Phänomen konfrontiert, das bei Menschen mit durchschnittlichem IQ und einer gewissen Neugier (das korreliert übrigens, wie man seit längerer Zeit weiß!) fast automatisch ins Blickfeld rückt (oder gerückt wird?): Es gibt Stellplätze, die bereits ab Mittag komplett gefüllt sind und wo eine gewisse aggressive Grundstimmung nicht zu übersehen ist – wer darf seine Markise wie weit ausfahren, wer steht unter Umständen vielleicht 10 cm über den markierten Streifen hinaus (Todsünde!), wer darf an die u.U. beschränkten Stromanschlüsse, wo hat man Satellitenempfang, wer reserviert durch Stühle oder andere Gegenstände (Flaggen wie frühere Eroberer haben wir noch nicht gesehen – aber: Wer weiß??) Stellplätze für die Freunde, die später kommen…. und es gibt andere Plätze, öfter als man denkt sogar in direkter Nähe oder Nachbarschaft, auf denen stehen gerade einmal zwei oder drei Autos. Woran liegt das? Schädliche Erdstrahlung? Schlechtes Karma? Mikroklima?

Nach 45 Jahren Reisemobilerfahrung (nicht Wohnmobilerfahrung, soviel Zeit muss sein!) haben wir so unsere eigenen kleinen Ideen zur Philosophie oder Geschichte dieses Hobbies entwickelt, die wir euch hier an dieser Stelle einmal zur Kenntnis bringen möchten. Die Schlüsse, die wir daraus ziehen, sind vielleicht nicht für Alle zwingend, für uns allerdings schon!

Zuerst vielleicht ein kleiner Rückblick in die Geschichte des Reisemobil-Hobbies. In den 70-er Jahren begannen vermehrt Menschen, mit einem Mobil unterwegs zu sein. Meistens selbst ausgebaute VW-Busse oder Leicht-Lkw, die wenigen professionell gefertigten Fahrzeuge konnte man zu dieser Zeit getrost vernachlässigen. Zelte gab es zuhauf, Wohnwagen auch schon eine Menge – was also brachte die Leute auf die Idee, mit einem Reisemobil durch die Gegend zu fahren? Ganz einfach: Es war die Unabhängigkeit! Zelte und Wohnwagen mussten auf einen Campingplatz. Die waren meist weit draußen in der Natur, man baute sein Zelt oder stellte den Wohnwagen auf (man „installierte“ sich, man „wohnte“) und nutzte den Pkw, den Roller oder das Motorrad, um sich die Gegend anzusehen.

Das jedoch war genau nicht das Ding der Reisemobilisten. Sie wollten nicht einen ganzen Urlaub lang an einem Ort verbringen, sondern „herum vagabundieren“, also Rundreisen unternehmen, flexibel sein, schnell den Ort wechseln. „Heute hier, morgen dort, bin kaum da, muss ich fort!“ sang zu jener Zeit Hannes Wader, ein damals unter Studenten bekannter Liedermacher. Hinzu kam der Freiheitsdrang der Nach-Hippiezeit: Ein Campingplatz bedeutete Mittagsruhe, Schranke, viele Regeln, Spießigkeit – also genau das Gegenteil dessen, wovon die meisten Reisemobilfahrer damals träumten. Dazu passend begannen die ersten, mit ihren umgebauten Fahrzeugen in die Ferne zu schweifen. Fahrten nach Indien, Persien, Pakistan, der „Hippie Trail“ – diese Ziele zogen die Bullifahrer Europas magisch an. Auf diesen Touren gab es keine Campingplätze und die Straßenqualität – na ja! Man benötigte Fahrzeuge, die kompakt genug, robust und autark waren.

Das waren die Grundtugenden der frühen Reisemobile: Flexibel im Einsatz, kompakter als ein Gespann, robuster als ein Wohnwagen oder Zelt und autark. Die Autarkie ist auch heute noch häufig ein Unterscheidungsmerkmal zwischen Wohnwagen und Reisemobil: In Schweden schrieb man dies sogar vor einigen Jahren fest: Auf Stellplätzen dürfen nur Fahrzeuge stehen, die ein „geschlossenes Abwassersystem“ besitzen, also einen festen Tank, in dem das Schmutzwasser aufgefangen wird und nicht, wie früher immer, heute noch oft bei Wohnwagen anzutreffen: Ein Schlauch leitet das Abwasser unter das Fahrzeug und der Besitzer stellt einen Eimer oder fahrbaren Tank unter, den er später selbst entsorgt. Auf Campingplätzen kein Problem, aber in der freien Natur oder auf einem Parkplatz in der Stadt?

Die Philosophie dahinter war also klar: Mit einem Reisemobil konnte man flexibel überall hinfahren, spontan stehen bleiben und bei Bedarf schnell wieder weg sein. Man hatte alles an Bord, was man brauchte und konnte Plätze erreichen, von denen andere nur träumten. Das funktionierte eine Zeit lang sehr gut, nur fanden immer mehr Leute diese Reiseform verlockend. Außerdem begannen die ehemaligen Studenten und Hippiejünger nun Geld zu verdienen, sie wurden älter und ihre Ansprüche wuchsen. Das wiederum brachte die Industrie auf den Plan, professionell aufgebaute Fahrzeuge erschienen in immer größerer Zahl im Straßenbild und da Komfort gewünscht wurde, wurden die Fahrzeuge immer größer. Häufig waren die Industrieprodukte nicht mehr als Leicht-Lkw mit einem angepassten Wohnwagenaufbau, allerdings mit autarker Ver- und Entsorgung.

Jetzt waren die ersten Konflikte vorprogrammiert: Die steigende Anzahl an Fahrzeugen brachte zunehmend Probleme mit den Anwohnern und Ordnungshütern attraktiver Reiseziele, die wachsende Größe der Fahrzeuge bei abnehmender Robustheit (Wohnwagen sind Leichtbau!) sorgten dafür, dass die Fahrzeuge weniger flexibel waren und immer mehr auf asphaltierte Straßen und Parkplätze angewiesen waren. Immer öfter wurden negative Berichte in der Presse veröffentlicht. Schlagzeilen wie „Zigeuner übernehmen die Stadt“, „Wanderheuschrecken am Strandbad“ u.ä. heizten die Stimmung gegen die Reisemobilbesitzer mehr und mehr auf. Erste Sicherheitsbedenken wurden geäußert: Auf einem Campingplatz muss man gemeldet sein, wenn man ein Ferienhaus hat auch, Reisemobile aber sind einfach da oder weg – niemand weiß, wer denn da drin eventuell irgendwas plant!

Mit weiter zunehmender Zahl der Reisemobile in den 80-ern setzten mehrere Entwicklungen gleichzeitig ein: Die gebeutelten Besitzer versuchten sich zu wehren, sie gründeten Clubs, Vereine, Interessengemeinschaften und sogar Dachverbände, um ihre Interessen zu wahren, sich über Stellplätze auszutauschen und sich gegenseitig zu helfen. Die Städte und Gemeinden begannen, die Übernachtungsmöglichkeiten für Reisemobile einzuschränken, zu reglementieren oder gleich ganz zu verbieten. Einige Gemeinden, vornehmlich der nicht ganz so attraktiven Ferienziele, waren jedoch ein wenig schlauer und begannen, um die Reisemobiltouristen zu werben, denn inzwischen wurde auch bekannt, dass dieses Hobby nicht ganz billig und die Besitzer somit nicht völlig verarmt waren. So versprach man sich einen positiven Effekt für die Wirtschaft der Gemeinde.

Vorreiter dieser Anbieter von Stellplätzen waren zum Beispiel die Gemeinden Viechtach im Bayerischen Wald und Rotenburg/Fulda. Fast immer steckten auch Wohn- oder Reisemobilclubs dahinter, die den Gemeinde- oder Stadtvertretern mit Rat und Tat zur Seite standen oder so lange bei den Bürgermeistern oder beim Fremdenverkehrsamt quengelten“, bis jemand aus der Verwaltung mit etwas mehr Weitblick begann, sich für die positiven Aspekte des Reisemobiltourismus zu erwärmen. Die Grundidee war aber auch einfach zu verlockend: Diese Touristen hatten schließlich alles dabei. Es genügte, einen Parkplatz auszusuchen, auf dem die Mobile stehen konnten – je nach Mühe eventuell schön gelegen oder stadtnah oder beides!- und ein entsprechendes Schild aufzustellen, fertig! So gut wie keine Investitionen, dafür eine neue Marktlücke entdeckt und geschlossen.

Nun hätten alle Parteien zufrieden sein können, aber es gab da ein paar Denkfehler bei dieser Idee: Nach spätestens ein paar Tagen mussten die reisemobilen Gäste ent- und gegebenenfalls auch versorgen. Wollte man sie für mehr als zwei Tage im Ort halten, so benötigten sie Strom, denn Solaranlagen waren damals noch nicht üblich – allerdings durfte man schattenspendende Bäume sogar als Positivum vermerken, denn Satellitenanlagen gab es auch noch nicht. So begannen die Gemeinden, die positive Rückmeldungen aus der örtlichen Wirtschaft erhielten, aufzurüsten. Stromanschlüsse wurden geschaffen, Ver- und Entsorgungsstationen gebaut. Dies alles kostete allerdings auch viel Geld, also begann man mit der Erhebung von Stellplatzgebühren und setzte eine Kettenreaktion in Gang – einerseits bei der immer größer werdenden Zahl von Reisemobilisten, die sich an das zusätzliche Angebot der Stellplätze gewöhnten und dies nun auch woanders einforderten („Abstimmung mit den Rädern“), andererseits bei den Gemeinden, die nun begannen, aufeinander zu schielen und die langsam aber sicher die Preisspirale bei den Gebühren nach oben in Gang setzten. Für die Reisemobilisten gab (und gibt es sogar noch heute!) ein weiteres Problem: Die wirklich attraktiven Orte und Städte sahen keine Notwendigkeit, diese Zielgruppe anzulocken. Touristen hatten (und haben!) sie genug, häufig auch so schon genug Parkplatzprobleme, so dass man Stellplätze erst hätte bauen müssen, außerdem war (und ist!) die Stammkundschaft nicht davon angetan, bei ihren Besuchen auf irgendwelche Wagenburgen schauen zu müssen.

Als wäre das alles nicht bereits genug, bekam die Mobilreiserei nun weiteren Aufschwung: Freies Reisen ohne Zwänge wurde immer mehr en vogue. Die Generation der Erben kam in das campingaffine Alter, Geld war plötzlich nicht mehr so sehr das Problem. Da Reisemobile meistens wirklich eine ganze Menge davon kosteten, wurden sie unter Campern, besonders unter den Wohnwagenfahrern, plötzlich zum Statussymbol. Besonders dieser letzte Aspekt krempelte die Stellplatzszene ziemlich radikal um, denn wer die Musik bezahlt, bestimmt auch, was gespielt wird. Wohnwagenfahrer sind den Komfort von Campingplätzen gewohnt und das wurde nun auch auf Stellplätzen eingefordert: Toiletten und Duschen (obgleich jedes Reisemobil das an Bord hat!), Waschmaschinen und Trockner, Rasenflächen zum Aufstellen der Markisen und Campingstühle, Stellplatzreservierungen, wochenlanges Verweilen, einen Pkw im Schlepptau (das Mobil ist zu groß und muss auf dem Stellplatz bleiben, sonst ist der womöglich weg!)…. und die massenhaft nachfolgenden Neukunden übernahmen diese Ansprüche nur zu gerne! Unterstützend tätig war und ist hierbei die Fachpresse, die mit Stellplatzbewertungen, sogar mit Sternen, dafür sorgt, dass sich das Niveau – preislich wie ausstattungsmäßig! – ständig nach oben bewegt. Und das bisherige Endergebnis? Luxuriöse Stellplätze mit manchmal mehr als 200 Stellflächen, mit Schranke, Rezeption, mit Reservierungen (die teilweise Wochen im Voraus erfolgen müssen), eigenem Restaurant, Animation und Tourenangeboten. Diese Plätze sind gleichzeitig die, die oft völlig überlaufen sind. Ich frage euch: Wo ist da der Unterschied zu einem Campingplatz? Auf dem habe ich aber wenigstens zu bestimmten Zeiten meine Ruhe, da die An- und Abreise geregelt ist und das Platzpersonal „für Ordnung“ sorgt. Ich verrate hier zum Abschluss noch einen Geheimtipp, der eigentlich überhaupt keiner ist: Solltet ihr an einem stark frequentierten Wochenende einen Platz suchen, so schnappt euch irgendeinen Stellplatzführer und sucht einen Platz ohne Komfort, vor allem aber ohne Strom. Dort ist garantiert nichts los, auch wenn jedes Mobil über genug Strom für ein Wochenende verfügt! Um diesen ganzen Irrsinn nicht noch weiter zu treiben, hier mein Appell: Unterstützt die wenigen, noch existierenden Plätze mit vernünftig wenigem Zusatzangebot und bitte, bitte: Wenn ihr ein Reisemobil fahrt, dann nutzt doch die Ausstattung oder wenn nicht, dann fahrt auf einen Campingplatz, die freuen sich auch über Kundschaft und haben ihre Daseinsberechtigung! Ich danke für eure Aufmerksamkeit!!!