Fällt etwas auf? Nein? Ich habe diesen Beitrag „Mobilfahrer“ genannt – nicht Reisemobilfahrer, nicht Wohnmobilfahrer, nicht Fernreisende, nicht Bullifahrer, nicht Vanner, nicht Allrader, nicht was weiß ich denn! Es geht hier um Mobilfahrer. Also einfach um alle Leute, die das in ihrem Auto tun, was mal vor langer Zeit ein sehr netter und kluger Mensch erwidert hat, als er mit seinem uralten Auto von einem anderen, nicht ganz so netten Menschen mit einem nagelneuen und schnieken Vollintegrierten bemitleidet wurde: Wir alle können in unseren Kisten schlafen, kochen, wohnen und wenn vorhanden, auch schei…. Recht hatte und hat er und von diesen ganzen Mobilfahrern rede ich hier!
Zu Anfang waren wir so wenige, dass man, so man sich überhaupt traf, sofort miteinander ins Gespräch kam – ja manchmal sogar extra anhielt und über die Straße lief, um sich auszutauschen.
Dann wurden wir mehr und man begann sich zu grüßen. Das wurde mit der Zeit fast so etwas wie ein ungeschriebenes Gesetz – wohlgemerkt: Alle grüßten sich, also z. B. auch der Bullifahrer den Hymerbesitzer! Man kennt das heute noch von den Motorradfahrern, die tun das immer noch. Ok, Rollerfahrer werden nicht gegrüßt, das wäre scheinbar peinlich. Das ist in den USA übrigens anders – da werden Rollerfahrer sogar von Hells Angels Mitgliedern auf ihren Harleys gegrüßt! Auf den Stellplätzen, so es denn welche gab, ging man zum Nachbarn und tauschte sich aus, zeigte stolz sein Auto, trank zusammen einen Kaffee oder ein Bier.
Schließlich wurden wir viele, sehr viele, und eine Differenzierung in der Grußmentalität setzte ein. Möchte man Böses unterstellen, könnte man auch sagen, eine Art „Kastendenken“ begann. Fahrer großer und teurer Vollintegrierter grüßten sich zwar noch untereinander, Fahrer kleinerer Mobile wurden jedoch auch gerne schon mal ignoriert oder übersehen – bei der Größe vielleicht ja auch kein Wunder!? Bus- und Kastenwagenfahrer stellten fest, dass sie zu einer ganz besonderen Schicht gehörten und stellten das Grüßen generell ein – eventuell dadurch bestärkt, dass man ja erst ziemlich spät mitbekam, ob der Entgegenkommende ein Handwerker, Herr Bofrost oder eben ein Mobilkollege war. Die Exoten, also z.B. Expeditionsmobile, Oldtimer oder ausgebaute Reisebusse grüßten besonders strikt höchstens Gleichgesinnte.
Dann begann das Massenphänomen – was ich damit meine? Ein Beispiel? Gut: In der Osterzeit sind wir seit langer, langer Zeit regelmäßig in Südfrankreich, um schon einmal dem Frühling entgegenzufahren und ihn freudig zu begrüßen. An den Osterfeiertagen gibt es scheinbar in Frankreich ein Gesetz, das irgendwie vorschreibt, dass jedes funktionierende Mobil in die Camargue zu fahren hat und zwar wenn möglich nach Stes. Maries. Normalerweise legen Franzosen Gesetze ja eher großzügig aus, aber dieses nehmen sie todernst. Keine Ahnung, wie viele Mobile es in Frankreich gibt, aber fast alle sind dann dort – und hinzu kommen die anderen Europäer, die scheinbar meinen, dieses Gesetz gälte auch für sie. Kurz festgestellt: Heutzutage, also in Zeiten des absoluten Booms, fahren am Osterwochenende nur Unwissende oder grenzenlose Optimisten in der Hoffnung nach Stes.Maries, dort einen annehmbaren Stellplatz zu finden. Da wir das wissen, fahren wir frühestens am Nachmittag oder Abend des Ostermontags nach Stes. Maries. Was einem da entgegen kommt, kann man nicht mehr grüßen, sonst fällt einem nach kurzer Zeit der Arm ab! Mehr und mehr ist das nun inzwischen an vielen beliebten Zielen zumindest ähnlich. Es begegnen uns, besonders an langen Wochenenden, derart viele Mobile, dass wir quasi ständig nur noch mit einer Hand am Lenkrad „pilotieren“, was der Verkehrssicherheit auf keinen Fall zuträglich ist.
Und dann sind wir acht Jahre nach Übersee entschwunden. Seit unserer Rückkehr sind wir nun nur noch verunsichert, was die Sitten und Gebräuche untereinander beim Grüßen oder Smalltalken auf Stell- und Campingplätzen angeht – oder gibt es das gar nicht mehr? Teilweise wird zwar noch gegrüßt wie wild. Dann trifft man die Grüßenden auf dem Stellplatz wieder und wird auf einmal nicht mehr wahrgenommen, manchmal sogar bewusst ignoriert. Häufig wird man auch sehr gründlich taxiert. Passt man in irgendein uns unbekanntes Schema, dann wird Kontakt aufgenommen, sonst ist Funkstille. Ein schönes Beispiel ist „die Platte“ in Cuxhaven. Die Plätze mit „Schiffsblick“ werden seit langer Zeit scheinbar vererbt. Uns macht das nichts, wir stehen eben in der zweiten, unseretwegen auch gerne in der dritten Reihe, wenn wir denn mal zum Fischessen da sind. Morgens klopft es an der Tür: Eine Frau steht draußen und berichtet, dass ihr Nachbar gleich losfährt. Man hätte sich untereinander beraten und wäre zu dem Beschluss gekommen, uns den frei werdenden Platz anzubieten, damit nicht „irgendwer“ da rein fährt. Wohlgemerkt: Wir hatten mit keinem dieser privilegierten Frontbewohner vorher auch nur ein Wort wechseln können (dürfen?). Wir haben bisher noch nicht herausbekommen können, nach welchen Kriterien solche Einordnungen erfolgen. Wir kennen es noch so: Man kommt an, grüßt die Nachbarn und verliert ein paar nette Worte…über den Ort…den Stellplatz…oder meinetwegen auch über das gute/schlechte/kalte/unmögliche Wetter. Das ist aus irgendwelchen Gründen scheinbar nicht mehr oder nur noch selten so.
Aber auch, wenn sich Fernreisende begegnen – u.a. in Ländern, in denen es außer eben diesen Fernreisenden überhaupt keine Mobile gibt – haben sich die Sitten ähnlich entwickelt und hier ist das besonders bitter. Schließlich ist man in solchen Ländern oft auf Informationen (manchmal dringend!) angewiesen, sei es zum Straßenzustand, zur Tankstellendichte, zu Übernachtungsmöglichkeiten, zu Änderungen bei den Grenzformalitäten und…und…und! Man steht also zufällig neben einem anderen Mobil, geht kurz hinüber, grüßt und stellt die typische Reisefrage: Woher und wohin? Wenn man Glück hat, kommt dazu eine mehr oder weniger verbindliche Aussage und dann leider oft: Zack – und die Bewohner sind im Auto verschwunden. Sicher, es geht auch ganz anders – wir haben viele nette und freundliche Reisende getroffen, aber es fällt auf: Die unangenehmen Begegnungen nehmen zu. Man hat fast das Gefühl, diese „Kolleginnen und Kollegen“ haben Angst, man würde ungerechtfertigt von ihrem Insiderwissen profitieren – sollte die vielzitierte „Ellenbogengesellschaft“ etwa auch hier angekommen sein?
Und dann gibt es ja da noch das Gegenteil: „Die Kuschler“! Zum ersten Mal haben wir das in Griechenland, genauer gesagt auf dem Campingplatz in Igoumenitsa erlebt – vor langer, langer Zeit und mit Italienern. Wir hatten unseren Bulli abgestellt und waren zum Essen gegangen. Als wir nach zwei Stunden wieder zurück kamen, hatten wir ein Problem: Italienische Zelter hatten ihr textiles Domizil direkt vor unserer Schiebetür aufgebaut, zwei der Spannseile liefen unter das Auto und waren dort mit Heringen befestigt. Die Besitzer dieser spannenden Installation schliefen schon. Was sie nicht wussten: Wir mussten bereits morgens um 6 Uhr an der Fähre sein, also blieb uns morgens nichts anderes übrig, als die Leinen zu lösen, damit wir nicht bei der Abfahrt das Zelt demolieren. Zum Glück konnten wir ja die ausgestoßenen Flüche nicht verstehen. Seither heißen unsere südlichen Miteuropäer bei uns nur noch „Kuschelitaliener“. Inzwischen hat sich diese Unsitte allerdings in ganz Europa verbreitet. Wir stehen in Griechenland auf einem riesengroßen Stellplatz und sind ganz allein. Kurz vor Sonnenuntergang verdunkelt sich das Küchenfenster, weil ein Reisemobil, dieses Mal aus Bulgarien, so dicht neben uns parkt, dass wir gerade noch die Tür aufbekommen. Weshalb? Anderes Beispiel, bereits im Reiseblog erwähnt: Ein Schweizer Pärchen, das mit seinem Kastenwagen auf einem völlig leeren Campingplatz knappe zwei Meter neben uns einparkt. Wieso? Wir stehen in Delphi. Von rund 25 Stellplätzen, die alle die gleiche Superaussicht haben, da sie nebeneinander auf der gleichen Terrasse liegen, sind nur zwei besetzt – einer von Briten mit ihrem Bulli, einer von uns. Ein Pärchen aus Deutschland kommt mit seinem Allrad-Sprinter (CS Independent) und stellt sich genau neben uns. Schluss mit Ruhe – „Ratsch Bumm“! Warum? Deutsche Reisemobile auf Stellplätzen – während die einen ihren Individualabstand sichern, indem sie Markisen, Räder oder Tisch und Stühle so großzügig platzieren, dass da locker noch ein Auto hinpassen würde, erleben die anderen (oft komischerweise wir!), dass sie plötzlich nicht einmal mehr ihr Fenster aufbekommen, weil Reisemobilkollegen scheinbar beweisen müssen, wie gut sie ihr Fahrzeug und dessen Abmessungen kennen und vielleicht ja Heizenergie sparen wollen!? Was soll das? Viele Fragen und keine vernünftige Antwort – oder gibt es da eine und wir sind nur zu blöd sie zu finden?