Nach einer kurzen Platzbegehung (zur Erinnerung: Wir stehen bei Naantali!) machen wir uns an die „Arbeit“: Lektüre über die Ålandinseln durchlesen, weitere Infos einholen, nach Stellplätzen suchen… Die Ålands liegen mitten in der Ostsee, also genau zwischen Schweden und Finnland. Man kann sich denken, dass so eine exponierte Lage Begehrlichkeiten der Nachbarn weckt. Entsprechend waren die Inseln schwedisch, finnisch und damit (da Finnland lange Zeit zum Zarenreich gehörte!) auch russisch. Nachdem Finnland sich von der russischen Herrschaft befreit hatte und selbstständig geworden war, wollte es auf die „mitgeerbten“ Ålands natürlich nicht verzichten. Die wollten aber lieber zu Schweden gehören – was tun? Der Völkerbund entschied dann ganz salomonisch: Kein Militär mehr auf dem Gebiet, es bleibt bei der Zugehörigkeit zu Finnland, aber mit vielen Autonomierechten und die Amtssprache bleibt Schwedisch! Dieses Konstrukt hat die Inselbewohner reich gemacht! Stichworte zum Erfolg: Zoll-Sonderrechte, Schifffahrt im großen Stil (vor allem Fährschiffe und Kreuzfahrer, an denen jeder Åländer als Aktionär beteiligt ist) und Tourismus (80 % der Touristen kommen aus Schweden!).
Nachts bemerken wir noch einen großen Nachteil des Platzes: Wir stehen zum ersten Mal seit ewigen Zeiten sozusagen „unter Flutlicht“. Es ist taghell hier, unsere Verdunklungen bleiben heute gezwungenermaßen unten, frische Luft gibt’s erst wieder beim Aufstehen! Am nächsten Morgen geht es ohne Frühstück zur Fähre, denn laut Bestimmungen macht der Check-In-Schalter um 9.45 Uhr auf und bereits um 10.15 Uhr wieder dicht. Pünktlich checken wir ein, dann aber dürfen wir, da wir nicht nach Schweden, sondern nur nach Långnäs auf den Ålands wollen, quasi bis zum Schluss warten und den endlosen LKW-Schlangen zusehen, wie sie im Bauch des Schiffes verschwinden.
Irgendwann wird auch das langweilig und so sind wir froh, als wir endlich nach 11 Uhr das Okay bekommen und auch aufs Schiff dürfen. Nicht zuletzt haben wir auch langsam Hunger und die Besonderheit auf dieser Route ist, dass das Essen am Buffet mit im Preis enthalten ist. Seit 11 Uhr ist bereits geöffnet und um 12.30 Uhr ist auch schon wieder Schluss, also ist Beeilung angesagt! Als wir allerdings das Buffet schließlich vor uns haben, lässt unsere Begeisterung für den bevorstehenden „Brunch“ deutlich nach: Es gibt zwei Theken, die eine mit Salat, die andere mit „Hauptgerichten“. Die Salattheke ist noch erträglich, lediglich die übergroße Auswahl an eingelegten Gemüsen ist etwas gewöhnungsbedürftig – vielleicht ist dieser Schwerpunkt auf die große Zahl russischer Fernfahrer zurückzuführen und wie wir aus eigener, mehrfach gemachter Erfahrung wissen, mag man dort Eingelegtes in jeder Form. Nun kommen wir aber zur Theke mit den sogenannten „Hauptgerichten“: Einmal Gemüseplätzchen ohne Geschmack, einmal Kohlrabiauflauf ebenfalls ohne Geschmack, eine Suppe (wir dachten zuerst, es wäre eine Soße) mit völlig neutralen Fleischwurststücken (jedenfalls glauben wir, es in diese Kategorie einordnen zu können), chicken wings und gekochte Kartoffeln pur. Dazu ein großer Bereich mit Ketchup und Mayo – wozu man diese Zutaten „genießen“ soll, blieb uns bis zum Schluss leider verborgen. Dazu ein Saftautomat, von dem wir zuerst glaubten, er sei kaputt, da er zuerst Wasser ausspuckt und erst ganz zum Schluss einen winzigen Schuss Apfel- oder Orangensaftkonzentrat zugibt – jedenfalls stand auf den Knöpfen, dass es sich um diese Aromaten handeln soll – keine chemische Meisterleistung, soviel kann man sehr sicher sagen!
Wahrscheinlich sind wir nur verwöhnt, aber: Sollten wir noch einmal mit dieser Fähre fahren, dann gibt es selbst geschmierte Butterbrote!!! Wenigstens haben wir eine magenschonende Überfahrt, denn die See ist glatt wie ein Kinderpopo, und verlassen pünktlich um 16.40 Uhr das Schiff. Wenige Minuten später stehen wir auf dem großen Parkplatz am Fährhafen und gönnen unseren Mägen als erstes einen großzügigen Grappa.
Eigentlich war die Nacht ruhig – lediglich eine etwas lautere Fähre gegen 1.30 Uhr hat uns kurzzeitig geweckt. Die zweite, nur mit Schwerverkehr beladenen RoRo-Fähre um 6 Uhr war so leise, dass sie nur Kathrin mitbekommen hat, die um diese Zeit sowieso bereits wach ist. Es stürmt und schauert, also gibt es heute eine erste Erkundungsfahrt. Zuerst werden Windmühlen, genauer Bockwindmühlen, fotografiert.
Inzwischen wissen wir, was wir in keinem Fremdenführer lesen konnten: Auf den Ålands gibt es mindestens Dutzende von Windmühlen, die meisten in gutem Pflegezustand. Dann machen wir einen Abstecher nach Svinö (ja, hier spricht man trotz finnischer Zugehörigkeit schwedisch!) und eine Rundtour über Lemland einschließlich eines Abstechers zum Naturschutzgebiet in Herrö. Zu sehen gibt es außer einem Parkplatz leider nichts, aber bei besserem Wetter kann man hier sicher einige nette, kleinere Wanderungen unternehmen. Eigentlich hatten wir geplant, wieder einmal einen Duschtag einzulegen, am besten in Mariehamn, weil man dort dann gleich vom Campingplatz aus zur Besichtigung gepflegt in die Stadt spazieren kann. Also geht die Fahrt dorthin. Niemand ist zu sehen, der Platz könnte offen, aber auch genauso gut geschlossen sein. Angeblich steht er 365 Tage im Jahr zur Verfügung, aber ein Anruf unter der an der Rezeption angegebenen Nummer ergibt: „the number, you dialed, is not available at this time.“ Was heißt das nun im Klartext? In 10 Minuten wieder oder im nächsten Frühjahr? Also suchen wir nach Stellplätzen: Der erste Badeplatz ist inzwischen Baustelle und liegt mitten in einem Neubaugebiet. Den kann man wohl auch in Zukunft streichen. Ein zweiter, eigentlich netter Platz ist bereits von einem schwedischen Mobil besetzt – da wollen wir nicht stören, außerdem liegt der Parkplatz des Fischereihafens „gut im Wind“, ein bisschen weniger davon würde uns schon gefallen! Letztendlich landen wir auf dem Parkplatz einer weiteren Badestelle südlich der Stadt am Ende der Halbinsel an einer kleinen Straße gelegen. Nicht optimal, aber ganz okay, denken wir solange, bis wir gegen Abend merken, dass der Verkehr auf diesem kleinen Sträßchen ganz schön heftig ist und es auch bis nach 23 Uhr und bereits ab 6 Uhr bleibt bzw. wieder da ist. Scheinbar beliebt und deshalb ziemlich gut bewohnt dahinten!
Egal, wir schlafen trotzdem recht gut und machen am nächsten Vormittag bei strahlend blauem Himmel einen ausführlichen Stadtrundgang durch Mariehamn. Da das Städtchen nicht sehr groß ist, sind wir in 1 ½ Stunden damit durch. Sehenswert ist das Museumsschiff „Pommern“, ein stählerner Viermaster, der vor rund 100 Jahren etliche Rekorde bei Kap Horn Fahrten ersegelt hat. Zwei große, lindengesäumte Prachtstraßen, eine niedliche Fußgängerzone, einer der größten Yachthäfen Europas, viele nette Holzhäuser, eine wie immer in den letzten zwei Monaten tiefenentspannte Atmosphäre… Nix Atemberaubendes, aber durchaus sehenswert, erst recht zu dieser Jahreszeit ohne Scharen von schwedischen Tagestouristen.
Dann geht es auf der 2 weiter gen Norden. Hinter Godby machen wir einen Abstecher zum Kastelholm linna (Burg). Leider ist nicht mehr drin als ein Fototermin, denn hier ist alles bereits geschlossen.
Weiter geht es an Bomarsund vorbei, dem „russischen Versuch eines Gibraltar“, das wir uns auf dem Rückweg ansehen wollen. Uns zieht es heute ganz in den Westen, über die Insel Prästö und mit der kostenlosen Fähre hinüber nach Töftö.
Von hier aus geht es per Brücke weiter auf die Insel Värdö. Ganz im Norden und kurz vor der Brücke zur nächsten Insel (Sandö) halten wir am Naturcamping Sandösund.
Der Platz ist tatsächlich geöffnet, allerdings muss ich den Chef erst herbei telefonieren. Dann aber bekommen wir einen Spitzenplatz ganz allein – sozusagen am eigenen Strand.
Wir sind übrigens auch die einzigen Gäste. Das Gelände ist ziemlich groß, es gibt viel Platz im Wald, zwei (!) Strände, Spazierwege, einen Beobachtungsturm und für Überaktive (im Sommer) eine Disc-Golf-Anlage, einen Klettergarten sowie Minigolf, denn vor dem Platz befindet sich auch noch ein öffentlicher Strand. Als „Rabatt“ gibt der Chef noch warme Duschen aus – der Aufwand mit den aufladbaren Duschkarten lohnt sich jetzt nicht mehr, meint er. Für ein paar Minuten können wir sogar draußen in der warmen Sonne sitzen und den tollen Ausblick genießen, bevor es wieder zuzieht. Also werden wir aktiv und wandern 1 ¼ Stunden lang durch die Natur und verlassen dabei nur ganz kurz das Campinggelände – wirklich großzügig Platz und die Bezeichnung „Naturcamping“ führt der Platz absolut zu Recht!
Da es so schön ist, bleiben wir spontan noch einen weiteren Tag, satteln die Räder und erkunden zuerst die Inseln Sandö und Alören bis zum nördlichen Ende am Fährhafen von Simskäla, dann nehmen wir auch den Süden unter die Räder, bis wir hinter Listersby in Hummelvik nicht mehr weiter kommen.
Heute ist das Wetter wieder nicht so doll, also gibt es Sightseeing mit dem Auto. Es geht mit der Fähre zurück auf das „feste Åland“, so nennt man die Hauptinsel inklusive aller weiteren Inseln, die über Brücken miteinander verbunden sind. Hier halten wir zuerst an der Festung von Bomarsund. Das hier sollte einmal das russische Gibraltar werden, sozusagen der westlichste Außenposten des großen russischen Reiches. Bevor das für damalige Zeiten gigantische Projekt beendet werden konnte, hat das allerdings die französisch-britische Flotte besorgt und die Festung in Grund und Boden geschossen. Viel ist nicht übrig geblieben. Außer den Resten der Festung, die noch ausreichen, um uns die Ausmaße der Anlage deutlich zu machen, gibt es in der Umgebung jede Menge Fundamente der stadtähnlichen Siedlung, die nötig war, um die Versorgung der vielen Soldaten (mehr als 2500) sicher zu stellen.
Alles sehen wir uns nicht an, nach einer guten Stunde nehmen wir uns den Norden der Insel vor. Wir fahren auf der 4 bis zu deren Ende – viel „Bauernland“, Kartoffeln, Getreide, aber auch erstaunlich viele Spalierobstplantagen! Hier werden „Äpfel satt“ geerntet. Zurück im „Zentrum der Insel“ (geografisch gesehen) in Godby erledigen wir noch kleinere Besorgungen, bevor wir uns zur dortigen Badestelle begeben und für heute den Motor abstellen.
Heute geht es in den Westen nach Eckerö und damit auch zur Fähre, mit der wir heute noch nach Schweden, genauer nach Grisslehamn, übersetzen wollen. Viel Neues gibt es auf der Strecke nicht zu sehen, einzige Ausnahme ist das ziemlich große Post- und Zollhaus, ebenfalls aus Zarenzeiten und wieder einmal (ihr erinnert euch an Helsinki?) ein Ergebnis der Architektentätigkeit eines gewissen Herrn Engel. Passt irgendwie überhaupt nicht in die eher ländliche Umgebung, sollte aber damals wohl vor allem beeindrucken.
Wenige Minuten später stehen wir an der Fähre – klar: Wir sind wieder einmal die Ersten. So tiefenentspannt wie die Leute hier werden wir wohl auch nicht mehr werden: Erst als das Schiff anlegt, füllen sich die Wartespuren. Zu Beginn des Check-Ins standen hinter uns gerade 10 PKW, nun sind es plötzlich mehr als 50, dazu noch LKW, Wohnmobil, Wohnwagengespann…
Überhaupt – auf diesem Schiff ist vieles anders, als wir auf den beiden anderen Fähren dieser Tour bisher erfahren haben: Lebensfreude pur! Ganze Busladungen feierfreudiger „Minikreuzfahrtfans“, die hier bei zollfreiem „Stöffchen“ einen netten Sonntag verleben. Trotz relativ kleinem Schiff gibt es gleich mehrere Restaurants, aus denen es vergleichsweise auch lecker riecht. Vorne im Bug eine „Discobar“ mit Tanzfläche und einem Alleinunterhalter, der für seine Bemühungen auch noch reichlich Beifall ernten kann und vor allem für uns inzwischen ungewohnt: Jede Menge Menschen, also normales Leben! Das hier ist eindeutig ein schwedisches Schiff, entsprechend riesig ist auch der Duty-Free-Laden. Wir verbringen die zwei Stunden Überfahrt recht entspannt in der „Disco“ mit Meerblick nach vorne und genießen die lockere und launige Stimmung hier an Bord. Pünktlich um 14.30 Uhr und wieder bei gewohnter MEZ-Sommerzeit berühren Exes Reifen schwedischen Boden. Von nun an geht es nach Hause, das war’s mit exakt sechs Wochen Finnland und Åland.
Das Fazit? Das war eigentlich alles ziemlich genial! Die Reisezeit passt, Glück mit dem Wetter hatten wir auch. Für Mobilfahrer, die freies und autarkes Stehen bevorzugen, ist dieses Land schon fast perfekt. Stellplätze gibt es zumindest jetzt außerhalb der Saison genug, Verbotsschilder sind die absolute Ausnahme. Wanderungen in den meisten Nationalparks sind auch ohne große Vorbereitungen und auch für Menschen, die nicht gleich mehrere Tage unterwegs sein wollen, gut möglich. Fast überall gibt es Rundwege, häufig auch „Nature Trails“ mit Schautafeln und Erklärungen der biologischen und geographischen Besonderheiten, die in zwei oder drei Stunden gut zu bewältigen sind. Manchmal gibt es sogar mehrere Rundwege unterschiedlicher Länge und Schwierigkeitsgrade. Gepflegt und gut ausgeschildert sind sie eigentlich alle, auch die unvermeidlichen Bohlenwege sind durchweg in gutem Zustand. Die Menschen sind zwar zurückhaltend und ziemlich verschlossen, aber bei Ansprache immer hilfsbereit und freundlich. Insgesamt ist Finnland „unaufgeregt“. Es gibt nicht tausende von großartigen Sensationen, eher kleine und nette, liebenswerte Sehenswürdigkeiten, häufig kostenfrei und ohne großes „Pipapo“ mit Souvenirläden oder anderen, fragwürdigen Angeboten. Aber auf alle Fälle ist Finnland ein Land für Naturfans, ein Land fürs „Runterkommen“ und dem heutzutage ja so wichtigen „Entschleunigen“.
Gesamturteil: „Gerne wieder!“